Toolkit-Release August 2017 (Teil 2)

Vergangene Woche ist das August-Release des RDA Toolkit erschienen. Der englische Text ist unverändert; er ist seit April 2017 "eingefroren" und soll erst wieder mit dem Relaunch des gesamten Toolkit im kommenden Jahr in erneuerter Form erscheinen. Mit dem jetzigen Update sollten eigentlich alle anderen Sprachversionen auf den aktuellen Stand der englischen Fassung gekommen. Geschafft haben dies aber nur die deutschen Übersetzerinnen, die mit einer gewaltigen Arbeitsleistung und unter hohem persönlichen Einsatz nicht nur die regulären Veränderungen vom April 2017 eingearbeitet haben, sondern auch die "Großaktionen", mit denen der RDA-Text seit vergangenem Jahr systematisch verändert worden war. Ebenfalls eingearbeitet wurden die bisher noch fehlenden Fast Tracks vom August 2016, Oktober 2016, Februar 2017 und April 2017. Entsprechend ist der zentrale Punkt des August-Releases die Aktualisierung der deutschen RDA-Fassung. Außerdem gab es Veränderungen bei den Anwendungsrichtlinien - nicht nur bei den D-A-CH, worüber ich schon berichtet habe (vgl. den 1. Teil des Blog-Beitrags), sondern auch bei denen einiger anderer Communities.

Infos zum August-Release auf der Website des RDA Toolkit
Infos zum August-Release auf der Website des RDA Toolkit

Ein bisschen grinsen musste ich schon, als ich hörte, dass nur wir Deutschen den vom RSC gesetzten, sehr sportlichen Termin für die Aktualisierung der Übersetzung eingehalten haben - und damit wieder einmal die "Streber" in der RDA-Community sind. Ein bisschen was muss wohl doch dran sein an den Stereotypen, mit denen man uns so gerne belegt...

Dass die anderen Übersetzungen dies nicht geschafft haben, ist für uns aber sogar von Vorteil: Denn es soll nun, anders als ursprünglich geplant, zwei weitere Releases in diesem Jahr geben - im Oktober und Dezember 2017. Diese sind primär dazu gedacht, andere aktualisierte Übersetzungen einzupflegen, doch werden wir bei diesen Gelegenheiten auch nochmals D-A-CH-Änderungen einbringen können. Das Toolkit ist also jetzt doch nicht so "eingefroren", wie es zunächst angekündigt worden war. Unsere italienischen und spanischen KollegInnen haben übrigens entschieden, auf die Anpassung ihrer Übersetzung an den Stand von April 2017 ganz zu verzichten. Sie wollen diese Schritt auslassen und sich stattdessen gleich darauf konzentrieren, ihre Textfassung auf den neuen Stand des Regelwerks zu bringen, der sich im Zuge des 3R-Projekts ergeben wird. Das RSC hat dies akzeptiert (vgl. Info auf der Toolkit-Website).

Die jetzigen Probleme bei der Aktualisierung der Übersetzungen geben auch einen Vorgeschmack auf das, was voraussichtlich im kommenden Jahr passieren wird. Das RSC wünscht sich ja, dass zum Rollout-Termin des neuen Toolkit (bislang geplant für April 2018) nicht nur die englische Fassung in neuer Gestalt vorliegen wird, sondern auch alle anderen Sprachfassungen. Selbst wenn der neue Text tatsächlich in diesem Herbst fertig abgestimmt sein sollte, scheint dies jedoch kaum realistisch.

Systematische Änderungen im RDA-Text

Die Änderungen im deutschen RDA-Text sind, wie schon angedeutet, diesmal sehr umfangreich. Ich werde deshalb nach diesem mindestens noch einen weiteren Blog-Beitrag benötigen, um sie "abzuarbeiten". Ich beginne mit den seit vergangenem Jahr vom RSC vorgenommenen systematischen Änderungen im gesamten Text, die jetzt für die deutsche Übersetzung nachvollzogen wurden. Ich hatte über diese Änderungen schon verschiedentlich in anderen Blog-Beiträgen berichtet (August 2016, Oktober 2016, Februar 2017). Jetzt können wir aber sehen, wie das in der deutschen Fassung aussieht. Aus verständlichen Gründen konnten diese Änderungen (bei denen vermutlich nahezu jeder Satz angefasst werden musste) nur zum Teil in der von der AfS bereitgestellten Änderungshistorie dokumentiert werden.

Änderungen bei Tabellen und Listen im Regelwerkstext

An einigen Stellen gab es bisher in RDA Tabellen, in denen zusätzlich zu den zu verwendenden Begriffen auch die Definitionen aufgeführt waren - beispielsweise bei der Erscheinungsweise (RDA 2.13.1.3) oder dem Inhaltstyp (RDA 6.9.1.3). Diese - eigentlich sehr praktischen - Tabellen wurden jetzt durch bloße Listen mit den Termini ersetzt:

Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)
Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)

Die zugehörigen Definitionen kann man nur noch im Glossar nachlesen. Leider wurden an diesen Stellen keine direkten Links zum Glossar integriert, wie es sonst normalerweise üblich ist. Man muss also händisch zum Glossar navigieren und dort die Definition aufrufen, wenn man sie benötigt.

Außerdem wurden einige Begriffslisten neu strukturiert. Dies betrifft vor allem den Abschnitt RDA 3.4 (Umfangsangabe). Hier gab es bisher mehrere Listen für die zu verwendenden Termini bei bestimmten Arten von Materialien - z.B. bei RDA 3.4.2 (Umfang einer kartografischen Ressource) eine Liste, die u.a. "Atlas", "Globus" und "Karte" enthielt. Diese bisher getrennten Listen wurden nun an einer Stelle in einer Gesamtliste zusammengefasst; sie ist bei RDA 3.4.1.3 zu finden.

Gänzlich aus dem Regelwerk gestrichen wurde die normierte Liste für das Kodierungsformat in RDA 3.19.3.3. Hier steht nun nur noch: "Verwenden Sie einen oder mehrere geeignete Termini aus einer normierten Liste, falls vorhanden." Im deutschsprachigen Raum verwenden wir aber weiter die bisherige Liste, wie man im neuen D-A-CH an dieser Stelle nachlesen kann. Die Begriffe selbst haben wir in eine Arbeitshilfe "Kodierungsformate" (AH-025) ausgelagert.

Unbestimmter statt bestimmter Artikel

Zu den grundsätzlichen Änderungen im RDA-Text gehört der Verzicht auf Artikel in Namen von Elementen (sofern sprachlich möglich) bzw. ersatzweise der Wechsel vom bestimmten zum unbestimmten Artikel. So wurde im Englischen aus dem früheren "Identifier for the Manifestation" vor kurzem "Identifier for Manifestation". Im Deutschen heißt das Element nun nicht mehr "Identifikator für die Manifestation", sondern "Identifikator für eine Manifestation". Der Wechsel vom bestimmten zum unbestimmten Artikel zieht sich durch den gesamten Regelwerkstext. Beispielsweise heißt es jetzt nicht mehr: "Erfassen Sie das Erscheinungsdatum unter Anwendung der Grundregeln unter 2.8.1", sondern: "Erfassen Sie ein Erscheinungsdatum unter Anwendung der Grundregeln unter 2.8.1". Als Begründung für die Änderung erläuterte Gordon Dunsire: "This change (...) emphasizes that there are no constraints on the repeatability of RDA elements, giving a cataloguing community the choice of recording one or more iterations of any element." (RSC/Chair/18, S. 3f.)

Besonders irritierend finde ich die Verwendung des unbestimmten Artikels in den Fällen, in denen es die angesprochene Sache aber doch eigentlich wirklich nur einmal gibt, wie bei bevorzugten Namen, z.B.: "Bestimmen Sie einen bevorzugten Namen einer Person aus den folgenden Quellen (...)." Ich habe dies vor einiger Zeit in der RDA List angesprochen. Daraufhin argumentierte der RSC-Vorsitzende, dass es in unterschiedlichen Systemen unterschiedliche bevorzugte Namen geben könne. Das stimmt natürlich schon, aber wir arbeiten halt normalerweise nur in einem einzigen System.

Manche Stellen klingen nach der Umarbeitung nachgerade kurios, wie dieser Satz aus RDA 2.3.3.1: "Treat an original title in a language different from that of a title proper as a parallel title proper if it is presented as the equivalent of a title proper." Korrekt ins Deutsche übertragen, würde der Satz heißen: "Behandeln Sie einen Originaltitel in einer Sprache, die von der eines Haupttitels abweicht, als einen Paralleltitel, wenn er als Pendant zu einem Haupttitel dargestellt ist." Aber natürlich muss der Originaltitel nicht als Pendant zu irgendeinem Haupttitel dargestellt sein, sondern als Pendant zu einem ganz bestimmten Hauptitel - nämlich dem der vorliegenden Ressource. Der Satz ist deshalb, wie ich finde, nur verständlich, wenn an wenigstens zwei Stellen der bestimmte Artikel verwendet wird: "Behandeln Sie einen Originaltitel in einer Sprache, die von der des Haupttitels abweicht, als einen Paralleltitel, wenn er als Pendant zum [für: zu dem] Haupttitel dargestellt ist." So steht das derzeit auch noch in der deutschen Übersetzung - vergleichen Sie den englischen und den deutschen Text im folgenden Screenshot:

Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)
Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)

In dem kleinen Ausschnitt sieht man noch einige weitere Stellen, an denen jetzt eigentlich der unbestimmte Artikel stehen müsste: "Ein Alternativtitel (...) wird als Teil eines Paralleltitels behandelt", "Nehmen Sie einen Paralleltitel (...)", "Wenn ein Haupttitel von außerhalb der Manifestation stammt, nehmen Sie einen Paralleltitel (...)." Solche Fehler - die man eigentlich gar nicht "Fehler" nennen möchte, weil sie viel besser klingen als die "richtige" Variante - findet man derzeit noch an vielen Stellen in der deutschen Übersetzung. Dies ist auch kein Wunder, da angesichts der Mammutaufgabe und des hohen Termindrucks vermutlich keine Zeit blieb, um das Ganze nochmals sorgfältig korrekturzulesen.

Auch im englischen Text gibt es übrigens durchaus Stellen, wo noch der bestimmte Artikel steht, obwohl es nach den neuen Regeln eigentlich der unbestimmte Artikel sein müsste. Vergleichen Sie etwa den Anfang von RDA 6.2.2.8: "Record the title chosen as a preferred title for work (...)" mit dem Anfang von RDA 6.23.2.4: "Record the title chosen as the preferred title for a religious work (...)."

Einführung von "Akteur"

Der aus dem IFLA LRM stammende Begriff "agent" - ins Deutsche übertragen als "Akteur" - wird jetzt immer dort verwendet, wo vorher etwas wie "Person, Familie oder Körperschaft" (teilweise auch: "Person usw.") stand. Beispielsweise heißt die Regelwerksstelle RDA 2.4.1.5 nicht mehr "Angabe, die mehrere Personen usw. nennt", sondern "Angabe, die mehrere Akteure nennt". Und der Text lautet entsprechend: "Erfassen Sie eine Verantwortlichkeitsangabe, die mehrere Akteure nennt, als einzelne Angabe, unabhängig davon, ob die darin genannten Akteure die gleiche Funktion oder unterschiedliche Funktionen haben." Davor war es: "Erfassen Sie eine Verantwortlichkeitsangabe, die mehrere Personen, Familien oder Körperschaften nennt, als einzelne Angabe, unabhängig davon, ob die darin genannten Personen usw. die gleiche Funktion oder unterschiedliche Funktionen haben."). Diese Änderung halte ich für eine Verbesserung, auch wenn wir uns alle erst an den neuen Terminus "Akteur" werden gewöhnen müssen.

Ersatz von "Ressource" durch eine spezifische WEMI-Entität

Ich hatte schon im letzten Blog-Beitrag auf die Tilgung des Worts "Ressource" aus sehr vielen Stellen im Regelwerk hingewiesen. Stattdessen wird nun die jeweils zutreffende WEMI-Entität verwendet. Beispielsweise heißt es nun in RDA 2.1 grundsätzlich "Manifestation", wo vorher "Ressource" stand (mit Ausnahme von "integrierender Ressource" u.ä.). Nehmen wir als Beispiel den Anfang von RDA 2.1.2.2 in der neuen Fassung:

"Wenn Sie eine umfassende Beschreibung für eine Manifestation erstellen, die als einzelne Einheit erscheint (z.B. ein einbändiges Lehrbuch, eine Audioaufnahme), die keine integrierende Ressource ist (siehe 2.1.2.4 RDA), wählen Sie eine Informationsquelle, die die Manifestation als Ganzes identifiziert (z.B. eine Quelle mit einem übergeordneten Titel). Wenn die Manifestation mehrere Werke enthält (z.B. eine Kompaktdisk, die mehrere Werke enthält), bevorzugen Sie eine Quelle, die einen übergeordneten Titel hat. (...)"

Hier stolpere ich über die Formulierung "wenn die Manifestation mehrere Werke enthält". Denn das Verb "enthalten" legt eine Teil-Ganzes-Beziehung nahe, aber natürlich kann ein Werk nicht Teil einer Manifestation sein... damit würde man die WEMI-Ebenen durcheinanderbringen. Im Englischen wird das Wort "embody" verwendet ("If the manifestation embodies multiple works"); entsprechend müsste im Deutschen korrigiert werden zu: "wenn die Manifestation mehrere Werke verkörpert". Ich stelle übrigens gerade fest, dass auch bisher schon "embody" im Englischen stand ("If the resource embodies multple works"). Das ist mir nie aufgefallen, weil "enthalten" im Zusammenhang mit dem Wort "Ressource" ganz o.k. klingt. Wenn wir nun aber gezwungen sind, auf die exakte WEMI-Ebene zu gehen, müssen wir unsere Formulierungen sehr genau auf WEMI-technische Korrektheit prüfen. Hier wird also wohl noch etwas Nacharbeit anfallen.

Hier noch zwei weitere Beispiele für die Verwendung einer speziellen WEMI-Entität statt bisher "Ressource":

  • RDA 7.2.1.1:
    "Art des Inhalts: Eine spezifische Eigenschaft des primären Inhalts eines Werks."
  • RDA 7.16.1.1:
    "Ergänzender Inhalt: Eine Angabe über den Inhalt, der den primären Inhalt einer Expression aktualisiert oder vervollständigt." 

Solche Änderungen finde ich völlig in Ordnung; die Verwendung der WEMI-Entität erhöht hier sicher die Präzision. Aber ich bin nicht mit allen derartigen Änderungen einverstanden. Beispielsweise ist bei den Informationsquellen zum bevorzugten Namen einer Person - uups, sorry: "zu einem bevorzugten Namen einer Person" - in RDA 9.2.2.2 nun nicht mehr die Rede von "Ressourcen, die mit der Person in Verbindung stehen", sondern von "Manifestationen, die mit der Person in Verbindung stehen" (im Englischen: "manifestations associated with the person"). Dies finde ich problematisch, weil die Beziehung zur Person sich in den allermeisten Fällen nicht auf der Ebene der Manifestation befindet, sondern auf der des in der Manifestation verkörperten Werks (bei geistigen Schöpfern) bzw. der Expression (bei Mitwirkenden). Man mag vielleicht einwenden, dass "in Verbindung stehen" nicht genau dasselbe ist wie "in Beziehung stehen", aber an anderen Stellen in RDA wird dies offensichtlich gleich gesetzt (vgl. z.B. Kap. 19: "Akteure, die mit einem Werk in Verbindung stehen"; englisch: "Agents associated with a work").

Umsetzung der Änderungen in den D-A-CH

Die AfS hat die besprochenen Änderungen, insbesondere die Einführung von "Akteur" und den Ersatz von "Ressource" auch in sämtlichen D-A-CHs umgesetzt. Ich habe darüber schon im ersten Teil dieses Blog-Beitrags berichtet. Da war mir aber der Umfang der Änderungen noch nicht klar; ich hatte fälschlich angenommen, dass nur die in der Änderungshistorie aufgeführten D-A-CHs betroffen sind.

Es ist bedauerlich, dass wir dies nicht im Vorfeld in der Fachgruppe Erschließung diskutieren konnten. Zum Teil sind die Änderungen zum Glück unkritisch. Wenn man die Änderungen durch das August-Release in ihrer Gesamtheit betrachtet, kann man auch verstehen, weshalb die Redaktion der Meinung war, dass eine Anpassung an die Formulierungen im Regelwerkstext unvermeidbar sei. In manchen Fällen führen die Änderungen jedoch zu kleineren oder größeren Schwierigkeiten in sachlicher und/oder terminologischer Hinsicht. Ein Grundproblem ist dabei, dass unsere Anwendungsrichtlinien sich - anders als die Regelwerksstellen - eben nicht immer nur auf genau einer WEMI-Ebene bewegen. Vielmehr haben wir hier immer konkrete Ressourcen im Blick, die alle WEMI-Ebenen in sich vereinigen und die in Form einer zusammengesetzten Beschreibung katalogisiert werden. Bei der nächsten Telko der Fachgruppe Erschließung werden wir diskutieren, wie wir mit den jetzt vorgenommenen D-A-CH-Änderungen umgehen wollen.

Die in diesem Beitrag beschriebenen Änderungen betrafen strukturelle, sprachliche und terminologische Änderungen. Im dritten (und hoffentlich letzten) Teil dieses Blog-Beitrags werde ich die wichtigsten inhaltlichen Änderungen besprechen, die mit dem August-Update für uns gültig werden.

Heidrun Wiesenmüller

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