Toolkit-Release Februar 2017 (Teil 2)

Die D-A-CH-Änderungen, die vergangene Woche ins RDA Toolkit gekommen sind, habe ich bereits im ersten Teil dieses Blog-Beitrags beschrieben. An der deutschen Übersetzung durften für dieses Release keine Änderungen vorgenommen werden. In diesem Blog-Beitrag beschreibe ich nun, was sich bei der englischen Fassung getan hat und was sonst noch passiert ist. In die deutsche Übersetzung werden die Änderungen am Regelwerkstext erst mit dem August-Update kommen - dem letzten Release vor dem "Einfrieren" des Toolkit im Rahmen des 3R-Projekts. Insofern versteht sich dieser Beitrag primär als Vorschau.

Hintergrunddokument zu den Änderungen (RSC/Chair/18)
Hintergrunddokument zu den Änderungen (RSC/Chair/18)

Grundsätzliche Änderungen im gesamten Text

Die interessantesten Punkte finden sich im Dokument "Preparation of RDA for the 3R Project" (RSC/Chair/18). Beschrieben werden hier einige grundsätzliche Änderungen, die sich durch den gesamten Regelwerkstext ziehen (und die nirgendwo im Einzelnen aufgelistet sind). Der erste Punkt betrifft das Wort "Ressource" (resource). Wo immer es ohne größere Änderungen möglich war, wurde dieser Begriff durch die konkrete WEMI-Entität ersetzt, auf die er sich bezieht. Hier zwei Beispiele:

  • Accessibility Content (Barrierefreier Inhalt), Definition bei 7.14 und im Glossar:
    Bisher: "accessibility content: An indication of content that provides alternative sensory modes to perceive the primary content of a resource."
    Jetzt:
    "accessibility content: An indication of content that provides alternative sensory modes to perceive the primary content of an expression."
  • Analytical Description (Analytische Beschreibung), Definition im Glossar:
    Bisher: "
    A description that describes a part of a larger resource."
    Jetzt: "
    A description that describes a part of a larger manifestation."

Die RDA-Trinität "person, family, and/or corporate body" bzw. ihre Pluralformen wurde durch "agent" bzw. "agents" ersetzt. Dies betrifft Kapitelüberschriften, Namen von Elementen sowie zahllose Stellen im Regelwerkstext. Auch dafür einige Beispiele:

  • Überschrift von Abschnitt 3:
    Bisher: "Recording Attributes of Person, Family, and Corporate Body"
    Jetzt: "Recording Attributes of Agents"
  • Name von Element 19.3:
    Bisher: "Other Person, Family, or Corporate Body Associated with a Work"
    Jetzt: "Other Agent Associated with Work"
  • RDA 6.27.1.3 Gemeinschaftliche Werke:
    Bisher: "If two or more persons, families, or corporate bodies are collaboratively responsible for creating the work ..."
    Jetzt: "If two or more agents are collaboratively responsible for creating the work ..."

Wir müssen dies im August-Update nachziehen. Deshalb muss jetzt rasch festgelegt werden, wie die deutsche Übersetzung von "agent" lauten soll. "Agent" wäre sicher keine gute Lösung, weil das Wort in der normalen Sprache ganz anders verwendet wird. Mir sind bisher noch folgende Optionen eingefallen: "Agens", "Agierender", "Handelnder" und "Handlungsträger". Persönlich würde ich "Agierender" bevorzugen - zwar nicht wirklich schön, aber zumindest einigermaßen verständlich und noch relativ nahe am Original.

Schließlich gab es grundsätzliche Änderungen bei den Artikeln. In den Elementnamen werden diese nun weggelassen, also z.B. nicht mehr "Identifier for the Manifestation", sondern nur noch "Identifier for Manifestation". Hier die Begründung: "This makes the labels of element and designators consistent and provides a template for new elements and designators. This parsimonious approach is tolerable in English, and in common use in technical contexts such as database fields."

Es wird aber zugestanden, dass dies nicht in allen Sprachen möglich ist (ich vermute, dass es nur in den wenigstens Sprachen machbar ist); dann soll der unbestimmte Artikel verwendet werden: "Translations can include the indefinite article if necessary and done consistently." Wir müssen dann also ändern von "Identifikator für die Manifestation" in "Identifikator für eine Manifestation". Stöhn. Ich mag mir gar nicht vorstellen, an wievielen Stellen das korrigiert werden muss (Schulungsunterlagen, Musterlösungen...). Und bei der Vermittlung von RDA und dem Katalogisierungsunterricht macht es der neue Sprachgebrauch gewiss auch nicht einfacher: Wenn man 2.15 erfasst, dann geht es doch nicht um den Identifikator für irgendeine Manifestation, sondern um den für die Manifestation, die gerade beschrieben wird!

Auch in den Anweisungen gibt es eine Änderung bei den Artikeln. Anstelle des bestimmten Artikels wird nun immer der unbestimmte verwendet, wenn auf ein Element Bezug genommen wird, z.B.:

  • 6.11.1.3 Recording Language of Expression:
    Bisher: "Record the language or the languages of the expression using an appropriate term or terms in a language preferred by the agency creating the data."
    Jetzt: "Record a language of expression using an appropriate term in a language preferred by the agency creating the data."
  • 11.13.1.1 General Guidelines on Constructing Authorized Access Points to Represent Corporate Bodies
    Bisher: "When constructing an authorized access point to represent a corporate body, use the preferred name for the corporate body (see 11.2.2 RDA) as the basis for the authorized access point."
    Neu: "When constructing an authorized access point to represent a corporate body, use a preferred name for corporate body (see 11.2.2 RDA) as the basis for the authorized access point."

Erfreulich finde ich, dass die sperrigen Formulierungen mit "and/or" weitgehend in ein simples "or" geändert wurden - das ja im normalen Sprachgebrauch durchaus inklusiv verstanden wird (entweder das eine oder das andere oder beides). Beispiel:

  • Definition von "title" in RDA 2.3.1.1 und dem Glossar:
    Bisher: "A word, character, or group of words and/or characters that names a resource or a work contained in it."
    Neu: "A word, character, or group of words or characters that names a manifestation or a work embodied in it."

Es gibt aber Ausnahmen: "The change is not being made if the current wording requires additional review for clarification, for example in RDA 2.17.5 (Note on numbering of serials)."

Schließlich wurde bei Regelungen für Sucheinstiege die Formulierung "in that order" gestrichen, z.B.:

  • 6.27.1.2 Works Created by One Agent
    Bisher: "If one person, family or corporate body is responsible for creating the work (see 19.2.1.1 RDA), construct the authorized access point representing the work by combining (in this order): ..."
    Neu: "If one agent is responsible for creating the work (see 19.2.1.1 RDA), construct the authorized access point representing the work by combining: ..."

Die Reihenfolge der Elemente in einem Sucheinstieg soll also nicht mehr im Regelwerk vorgegeben sein, sondern ist Sache der einzelnen Communities, die dies in ihren Anwendungsrichtlinien regeln können.

Fast tracks

Die neuen Fast tracks (RSC/Sec/6) werden erst im August in die deutsche Fassung eingearbeitet werden. Sie umfassen diesmal 18 Seiten. Manche der Änderungen tauchen aber an mehreren Stellen auf. Eine davon betrifft die Stellen für abweichende Titel und abweichende Namen; hier wurden die Formulierungen etwas geändert. Eine weitere grundsätzliche Neuerung (über deren Nutzen man sich streiten kann) ist, dass Begiffslisten anders dargestellt werden, etwa die Liste der Medientypen in RDA 3.2.1.3. Bisher gab es hier eine Tabelle, bei der unmittelbar hinter dem Begriff die Definition stand. Jetzt gibt es nur noch eine Liste mit den Begriffen selbst. Wenn man die Definition nicht weiß, muss man im Glossar nachsehen. Derzeit gibt es hier nicht mal Links zum Glossar; dies soll aber mit dem Redesign des Toolkit verbessert werden.

Zwei Punkte aus den Fast tracks möchte ich besonders hervorheben: Zum einen wurde bei 7.15.1.3 (Erfassen von illustrierendem Inhalt) eine klitzekleine, aber bedeutsame Änderung gemacht. Ich hatte ja vor einiger Zeit berichtet, dass die Begriffe "Diagramme" (charts) und "Notenbeispiele" (music) merkwürdigerweise aus der Liste der Standardbegriffe bei 7.15 entfernt wurden (vgl. Blog-Beitrag; in der deutschen Fassung noch nicht umgesetzt). Jetzt wurden sie indirekt wieder ergänzt - nämlich als Beispiele dafür, dass man auch andere Begriffe verwenden darf als die in der Liste genannten: "If none of the terms in the list is appropriate or sufficiently specific, use another concise term or terms (e.g., chart, music) to indicate the type of an illustrative content."

Zum anderen wurde die Definition von "container" (Behältnis) verändert. Dies ist eine Konsequenz aus dem europäischen Proposal zu den Informationsquellen (vgl. Blog-Beitrag). Die Definition im Glossar lautet jetzt: "A housing that is physically separable from the carrier being housed. A container includes a box for a disc or videocassette, a sleeve for a videodisc, etc.; an insert visible through the housing is part of the container."

Weitere Änderungen

Die italienische Übersetzung wurde aktualisiert und ist jetzt auf dem Stand von April 2016. Bei den Anwendungsrichtlinien gibt es auch etwas Neues - nämlich Policy Statements aus Kanada. Der zugehörige Knopf ist blau und trägt die Beschriftung "LAC/BAC-BanQ". Dabei steht "LAC/BAC" für den englischen bzw. französischen Namen der Nationalbibliothek ("Library and Archives Canada" bzw. Bibliothèque et Archives Canada"). Die Anwendungsrichtlinien sind zweisprachig. Die französische Variante enthält zusätzlich die Policy Statements von Bibliothèque et Archives nationales du Québec (BAnQ). Sowohl bei den kanadischen Anwendungsrichtlinien als auch bei unseren D-A-CH (die es ja seit kurzem auch in französischer Übersetzung gibt) kann man nun direkt bei der Anzeige über die gewohnten Buttons die Sprache wechseln bzw. eine zweisprachige Ansicht einstellen.

Ausblick

Insgesamt rätsele ich, wie unser Übersetzerteam es schaffen soll, all die jetzigen Änderungen sowie die bisher noch nicht eingearbeiteten aus dem vergangenen Jahr und die Änderungen, die im April noch kommen werden, bis August in die deutsche Fassung einzuarbeiten. Dabei ist die Situation bei uns noch besser als bei den anderen Übersetzungen, die überwiegend noch auf dem Stand vom April 2016 sind. Wenn ich die Pläne richtig verstanden habe, wird im August-Update nichts mehr an der englischen Fassung verändert werden. Aber alle Übersetzungen sollen dann auf den Stand der englischen Fassung vom April 2017 gebracht werden. Danach wird das RDA Toolkit komplett "eingefroren", d.h. es werden weder Änderungen am Text noch bei den Anwendungsrichtlinien möglich sein. Im April 2018 soll dann die englische Fassung "im neuen Gewand" erscheinen, was dann auch wieder von den Übersetzungen nachvollzogen werden muss.

Wir wussten ja, dass RDA ein "dynamischer" Standard ist... Aber musste es gleich so dynamisch sein?

Heidrun Wiesenmüller

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Kommentare: 2
  • #1

    Catharina Hagner (Montag, 20 Februar 2017 08:03)

    Liebe Frau Wiesenmüller,
    vielen Dank für die interessante Zusammenfassung. Gibt es irgendeine rational nachvollziehbare Erklärung, warum bestimmte in unbestimmte Artikel geändert werden und warum wir es plötzlich mit "Agenten" statt Personen, Familien und Körperschaften zu tun haben? Meines Erachtens führt das eher zu sprachlichen Ungenauigkeiten und möglicherweise in bestimmten Fällen auch zu Unsicherheiten. Mir persönlich fällt jedenfalls keine logische Erklärung für diese Änderungen ein.
    Vielen Dank und mit herzlichen Grüßen,

    Catharina Hagner

  • #2

    Heidrun Wiesenmüller (Montag, 20 Februar 2017 09:46)

    Liebe Frau Hagner,

    die Übernahme der Entität "Agent" (oder wie auch immer sie dann heißen wird) aus dem LRM als übergeordnete Entität für Personen, Familien und Körperschaften bringt schon gewisse Vorteile, weil das Datenmodell und auch das Regelwerk dadurch "verschlankt" werden können ("streamlining RDA" ist ein großes Ziel von Gordon Dunsire): Was wir jetzt sehen, ist ja nur die Vorbereitung. Im künftigen "RDA 2.0" wird es dann wohl so sein, dass alle Regelungen, die in gleicher Weise für Personen, Familien und Körperschaften gelten, im neuen "Agent"-Kapitel untergebracht werden. Solche grundsätzlichen Dinge stehen dann also nur noch an einer Stelle im Regelwerk, und nicht mehr an dreien. In den Kapiteln für Person, Familie und Körperschaft verbleiben dann nur diejenigen Regeln, die spezifisch für diese Entitäten gelten.

    Als Begründung für die Änderung zum unbestimmten Artikel in den Anweisungen wurde in RSC/Chair/18 erläutert: "The definite article (“the”) is replaced by the indefinite article (“a” or “an”) where it refers to recording an element. For example, “Determine the preferred name for a person from the following sources” at RDA 9.2.2.2 is replaced with “Determine a preferred name for person from the following sources”. This change and referencing an element in the singular form emphasizes that there are no constraints on the repeatability of RDA elements, giving a
    cataloguing community the choice of recording one or more iterations of any element."
    Ich fand hier die Wahl des Beispiels "bevorzugter Name" verblüffend, weil es doch eigentlich klar ist, dass es immer nur einen solchen geben kann und alle anderen Varianten abweichende Namen sein müssen. Ich habe dazu auf der RDA List nachgefragt, und es stellte sich heraus, dass damit offenbar nur auf die Tatsache Bezug genommen wird, dass es in *unterschiedlichen* Systemen bzw. bei *unterschiedlichen* Anwendergemeinschaften natürlich verschiedene bevorzugte Namen geben kann, die dann z.B. im VIAF oder in der Linked Data Welt aufeinander treffen können. Gordon Dunsire hat dies in einer Mail erläutert:
    http://lists.ala.org/sympa/arc/rda-l/2017-02/msg00023.html
    (Hinweis: Erst "Ich bin kein Spammer" drücken, dann nochmals den Link aufrufen, um zur gewünschten Mail zu gelangen. Sie können auch im Thread zurückblättern, um die ganze Diskussion zu sehen.)
    Ich bin aber weiterhin nicht so glücklich mit dieser Änderung, weil man sie m.E. leicht missverstehen kann.

    Viele Grüße
    Heidrun Wiesenmüller