RSC-Treffen in Madrid

Vom 24. bis 26. Oktober 2017 tagte das "RSC plus" an der Biblioteca Nacional de España (BNE) in Madrid. "RSC plus" bedeutet, dass der enge Kreis der Mitglieder des RDA Steering Committee (RSC) durch die Vorsitzenden der vom RSC eingesetzten Arbeitsgruppen erweitert wurde. Hier das obligatorische Gruppenfoto, das im Dokument Outcomes of the October 2017 RSC Plus Meeting veröffentlicht wurde (dort kann man auf S. 2 auch nachlesen, welche Namen zu den Gesichtern gehören).

Gruppenfoto des RSC Plus aus Madrid, veröffentlicht im "Outcomes"-Dokument
Gruppenfoto des RSC Plus aus Madrid, veröffentlicht im "Outcomes"-Dokument

Die dreitägige Sitzung verlief vollständig "in Executive Session", d.h. anders als bei früheren Treffen (wie dem in Frankfurt im November 2016, vgl. Blog-Beitrag) waren keine Beobachter zugelassen. Zumindest ist mittlerweile aber eine Zusammenfassung der Ergebnisse erschienen (Outcomes). Außerdem fand am Tag vor der Sitzung eine öffentliche Veranstaltung unter dem Titel "Preparing for the New Toolkit" statt. Diese wurde live gestreamt; die Aufzeichnung kann weiterhin auf Youtube betrachtet werden. Das Video ist knapp vier Stunden lang; netto ist es aber etwas weniger, weil auch die Pause mit drauf ist - während der sieht man dann nur das Logo der BNE.

Nachtrag vom 17.12.2017: Die BNE hat mittlerweile das ursprüngliche Video gelöscht und eine neue Version eingestellt. Auf dieser ist die Pause herausgeschnitten und das Video wurde in zwei Teile zerlegt (Teil 1 auf YouTube, Teil 2 auf YouTube). Auch die Audiospuren wurden getrennt, sodass für die neue Fassung der folgende Abschnitt zum Verändern der Audioeinstellungen irrelevant ist. Die neuen Fassungen sind natürlich besser benutzbar als die alte, allerdings stimmen alle Positionsangaben nicht mehr, die ich in diesem Blogbeitrag angegeben habe. Ich werde versuchen, diese demnächst zu aktualisieren. Außerdem habe ich den BNE gebeten, das Gesamtvideo wieder auf die Ursprungs-URL hochzuladen, sofern dies möglich ist - mal sehen, ob das klappt.

Die Vorträge wurden auf Englisch gehalten und simultan ins Spanische übersetzt. Auf dem rechten Kanal kommt der englische Ton, auf dem linken der spanische. Um eine unerfreuliche Vermischung der beiden Audiospuren zu vermeiden, muss man deshalb zunächst die Audioeinstellungen ändern. In Windows machen Sie dafür einen Rechtsklick auf das Lautsprechersymbol unten rechts und klicken auf "Wiedergabegeräte". Wählen Sie dann das gewünschte Gerät aus (z.B. den internen Lautsprecher) und klicken Sie auf "Eigenschaften". Dann gibt es eine Registerkarte "Pegel", von der man auch auf die "Balance"-Einstellungen kommt. Dort den linken Kanal auf null drehen. In Windows 10 sieht das so aus:

Im Video sind die Folien oft nur kurz eingeblendet und schwer zu erkennen. Zumindest ein Teil davon wurde aber mittlerweile als getrenntes Dokument auf der RSC-Website veröffentlicht. Im Folgenden erläutere und kommentiere ich einige der Punkte, die im Outcomes-Dokument und/oder im Video vorkommen.

Neue Toolkit-Plattform

Wer eine Vorstellung davon bekommen möchte, wie die Toolkit-Plattform künftig aussehen und funktionieren wird, sollte sich den Vortrag von Jamie Hennelly anhören bzw. ansehen (im Video ungefähr von 0:18:00 bis 0:55:00). Man sieht darin auch einige "Mock-ups", an denen Jamie verschiedene Funktionen erklärt. Ich denke, dass es hier wirklich echte Verbesserungen geben wird, die das Arbeiten mit dem Toolkit einfacher machen sollten. Beispielsweise wird es eine zusätzliche Spalte auf der rechten Seite geben, die für verschiedene zusätzliche Informationen genutzt werden kann. U.a. kann man einstellen, dass dort immer gleich das zugehörige D-A-CH angezeigt wird. Allerdings ist der Platz begrenzt, sodass jeweils nur die ersten 50 Wörter angezeigt werden - wenn man ein längeres D-A-CH vollständig lesen will, muss man dann also doch wieder klicken.

Basics zum 3R-Projekt

Relativ kurz, aber durchaus interessant spricht im Video die neue RSC Secretary, Linda Barnhart (etwa 0:57:00 bis 1:06:50). Neben der Anpassung an das neue theoretische Modell IFLA LRM hat das 3R-Projekt auch einige weitere Ziele: So sollen zugleich verschiedene schon länger bekannte größere und kleinere Probleme in RDA gelöst werden, das Regelwerk soll besser für maschinelle Verfahren geeignet sein und außerdem weiter in Richtung des Semantic Web gehen.

Die neue Struktur wird zweigeteilt sein: Zum einen soll es einige Grundlagen-Kapitel geben, die sich mit allgemeinen Fragen beschäftigen - beispielsweise ein Kapitel über unterschiedliche Erfassungsmethoden und eines über den Umgang mit fiktiven Entitäten. Der Hauptteil besteht aus den Entitäten-Kapiteln, d.h. für jede Entität werden alle zugehörigen Elemente (Merkmale und Beziehungen) beschrieben. Linda bezeichnete dies als ein "Data dictionary format". Sie betonte aber auch, dass in den Entitäten-Kapiteln sehr viel aus dem bisherigen Text wiederverwendet werden soll: Es werde "a large amount of copy and paste from the current toolkit into the new toolkit" geben, "so the instructions will feel quite familiar to you".

Wie Linda sagte, wird im 3R-Projekt kein neues Regelwerk entstehen, sondern nur "a refinement of what already exists". Auf einer ihrer Folien stand: "RSC intends that RDA data constructed using the new Toolkit will look pretty much the same as data created earlier" und "RSC does not expect current interpretation and application of RDA to be changed". Jedoch werde es in einigen Bereichen auch "significant changes" geben.

"Serials" und "Aggregates"

Zwei wichtige Bereiche, die hier genannt werden, sind einerseits die fortlaufenden Ressourcen (Serials) und andererseits Zusammenstellungen (Aggregates). Letzteres wird dabei in einem sehr umfassenden Sinn verstanden. Nicht nur gilt etwa ein Roman mit einer Einleitung ebenfalls als Zusammenstellung, sondern auch z.B. ein Lied oder ein "graphic novel" - dies wären Beispiele für "combination works" (Musik und Text bzw. Bild und Text). Beide Bereiche sind beim RSC noch in der Diskussion. Zu den fortlaufenden Ressourcen gibt es dabei schon deutlich mehr Informationen als über die Aggregates. Im Outcomes-Dokument finden sich die einschlägigen Punkte auf S. 4f., im Video etwa von 1:16:50 bis 1:55:50, und in der Präsentation auf Folien 3 bis 31.

Es ist wirklich noch zu früh, um ins Detail zu gehen - dafür wissen wir noch zu wenig, wie die Lösungen am Ende tatsächlich aussehen werden. Deshalb hier nur einige wenige Hinweise. In beiden Bereichen soll künftig der "Plan" eine wichtige Rolle spielen; dies entspricht den Vorgaben im LRM. Ein fR-Werk wird deshalb als ein Plan für ein bestimmtes Erscheinen betrachtet, und ein Werk des Zusammenstellens (aggregating work) als ein Plan dafür, welche Werke in welcher Form und welcher Reihenfolge zusammengestellt werden. Künftig müssen wir uns also daran gewöhnen, dass Pläne eigene Werke sind. Ich finde das insbesondere deshalb schwierig, weil ein solcher Plan eigentlich nur indirekt - im Ergebnis - fassbar wird. Und oft genug werden beim Katalogisieren Informationen fehlen. Beispielsweise wird sich bei Zusammenstellungen oft nicht sagen lassen, wer nun der geistige Schöpfer des Plans ist - der Herausgeber, der Verlag, das herausgebende Organ oder jemand ganz anderes?

Im Outcomes-Dokument wird zu den fortlaufenden Ressourcen formuliert: "A "serial work" is in essence a publication plan, the plan to publish a serial (or another type of continuing resource) that holds certain characteristics" (S. 5). Entsprechend entsteht ein neues Werk, wenn der Publikationsplan für die fortlaufende Ressource geändert wird. Die Printausgabe und die Online-Ausgabe derselben Zeitschrift sollen künftig zu zwei unterschiedlichen Werken gehören (Folie 14). Natürlich will man beides trotzdem irgendwie zusammenführen, sodass jetzt von einem "work cluster" die Rede ist. Weil sich die Zahl der Werke künftig offenbar dramatisch erhöhen wird, muss also sozusagen eine neue Ebene oberhalb des Werks eingezogen werden. Solche Ideen gab es übrigens früher schon einmal; damals bezeichnet als "Super-Work".

Im Video wird auch erklärt, dass zwar theoretisch bei jeder Änderung des Plans für eine fortlaufende Ressource ein neues Werk entsteht, aber praktisch nicht zwingend wirklich in jedem Fall ein Split vorgenommen werden muss. Man kann auch entscheiden, dass die Änderung nicht bedeutend genug dafür ist. RDA wird allerdings keine detaillierten Regelungen dafür bieten, sondern nur allgemeine Hinweise (wohl in einem der Grundlagen-Kapitel). Detailregelungen sollen die jeweiligen Communities in ihren Anwendungsrichtlinien festlegen. Dies kann dann natürlich auch dazu führen, dass unterschiedliche Anwendergemeinschaften zu unterschiedlichen Schnitten kommen. Laut Gordon Dunsire ist dies aber kein Problem, da die Beziehungen jeweils transitiv sind: "The results remain coherent." Wer sich das genauer ansehen möchte: Im Video etwa von 1:37:40 bis 1:43:50, Folien 15 bis 17.

Weniger zentrale Regeln

Hier sieht man zugleich eine neue Tendenz für die Weiterentwicklung von RDA: Es wird weniger zentral geregelt sein als bisher. Im Outcomes-Dokument findet sich dazu ein ganzer Absatz (S. 3):

"RSC held a broad discussion of the meaning of data interoperability in an international context. What does it mean to be an international standard? Will RDA support significant differences in interpretation through regional, national, or other application profiles or policy decisions? How much flexibility should RDA allow? RSC confirmed that RDA is an international standard and that there is no intention to move in the direction of regional standards. However, there needs to be room in RDA to add choices and to accommodate some differences. Although cataloguers have a culture of wanting direct instructions, the current information environment necessitates developing a culture of increased cataloguer judgement. Creating more choice within RDA also helps other diverse communities that RDA is reaching out to as part of its mission, such as the archives and museum communities. Interoperable data does not mean identical data. The RSC harmonizes RDA with related standards such as ISBD and ISSN using the principle of functional interoperability, allowing metadata from different sources to be used in applications."

Ein Beispiel dafür hatten wir gerade bei der Grenze zwischen "serial works", ein weiteres findet sich im Outcomes-Dokument auf S. 6:

"The instructions within each element for sources of information will be dropped in favor of general guidance at a higher level about how to choose sources of information, and their relationship to provenance. Specific communities could step in with policy statements if this is important to them."

Wir werden uns also überlegen müssen, ob die allgemeinen Hinweise zu den zu verwenden Informationsquellen genügen oder ob wir - zumindest in manchen Fällen - die wegfallenden Regeln bei den einzelnen Elementen durch neue D-A-CHs auffangen müssen.

Diese Entwicklung ist fraglos zweischneidig: Einerseits ist es positiv, dass die Anwendergemeinschaften mehr Freiheiten bekommen, um RDA genau auf ihre Bedürfnisse zuzuschneiden. Andererseits werden die neuen Freiheiten dazu führen, dass die Unterschiede zwischen RDA-Katalogisaten aus verschiedenen Kultur- und Sprachkreisen eher zu- als abnehmen werden. Dies steht im Gegensatz zur Hoffnung auf international gut kompatible Daten, die sich mit der Einführung von RDA ursprünglich ver­band.

Vorankündigungen

Ich schließe diesen Beitrag mit einigen Ankündigungen: Am kommenden Samstag, 9. Dezember, von 9:00 bis 10:30 Uhr gestalten Volker Conradt (BSZ) und ich einen Block zum Metadatenmanagement auf der BI-Jubiläumskonferenz an der HdM in Stuttgart (vgl. dazu den Blog-Beitrag). Ich halte dabei einen Vortrag zum Thema "IFLA LRM und das 3R-Projekt - auf dem Weg zu RDA 2.0?". Noch kann man sich dafür anmelden. Aber natürlich werde ich die Folien danach auch im Blog posten. Für die nächste Ausgabe des Südwest-Infos des VDB-Regionalverbands Südwest, das noch vor Weihnachten erscheinen wird, habe ich außerdem einen Beitrag geschrieben, der ungefähr das beinhaltet, was ich am Samstag vortragen werde. Auch dies werde ich hier natürlich nochmal bloggen, sobald es erschienen ist.

Ebenfalls noch vor Weihnachten wird Heft 4/2017 der vom VDB herausgegebenen Open-Access-Zeitschrift o-bib erscheinen. Darin wird dann auch die ausformulierte Fassung meines Beitrags vom Bibliothekartag drin sein ("Baustelle RDA - die Dynamik des Regelwerks als Herausforderung"). Ein bisschen veraltet ist dies dann allerdings auch schon wieder, denn es steht noch der "alte" Zeitplan für das 3R-Projekt drin, demzufolge die Neufassung schon im April 2018 erscheinen sollte - mittlerweile wurde dies ja auf Juni 2018 verschoben (vgl. Blog-Beitrag).

Heidrun Wiesenmüller

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Kommentare: 2
  • #1

    Heidrun Wiesenmüller (Mittwoch, 06 Dezember 2017 17:18)

    Hier noch ein Nachtrag: Im RDA-Info-Wiki der DNB steht jetzt auch ein Bericht von der europäischen RSC-Vertreterin, Renate Behrens, zur Verfügung - auf Deutsch :-)
    <https://wiki.dnb.de/download/attachments/51742976/Bericht%20RSC%20Meeting%202017_allgemein.pdf>

  • #2

    Heidrun Wiesenmüller (Sonntag, 17 Dezember 2017 11:06)

    Bitte beachten Sie den Nachtrag vom 17.12.2017 (blau markiert): Das Video der Madrid-Veranstaltung ist jetzt in etwas veränderter Gestalt an anderer Stelle im Web zu finden.