Neues vom 3R-Projekt

Seit einiger Zeit veröffentlicht James Hennelly, der Leiter von ALA Digital Reference, Statusberichte zum 3R-Projekt (zum Hintergrund des Projekts vgl. meinen Blog-Beitrag vom November 2016) im RDA-Toolkit-Blog. Der erste Statusbericht stammt vom Februar 2017, der zweite vom Juli 2017, und der dritte ist vor wenigen Tagen erschienen. Dieser ist besonders interessant, weil in ihm u.a. eine Anpassung des Zeitplans verkündet wird und man erste Screenshots aus dem Prototypen für das neue RDA Toolkit zu sehen bekommt.

Revidierter Zeitplan

Die für uns wichtigste Neuigkeit besteht in einer Anpassung des Zeitplans. Bisher war die Devise ausgegeben worden, dass die neue Toolkit-Plattform mit dem restrukturierten RDA-Text bereits im April 2018 (!) online gehen sollte, und zwar gleichzeitig in allen Sprachfassungen (!!). Wie unsere europäische Vertreterin im RSC, Renate Behrens, in der Fachgruppe Erschließung berichtet hat, haben alle nicht-englischsprachigen Communities beim RSC um Verständnis dafür geworben, dass dies beim besten Willen nicht zu leisten ist. Abgesehen von der Übersetzungsproblematik schien der Zeitrahmen aber auch viel zu kurz dafür, um den umstrukturierten Text von RDA zu erarbeiten, auch wenn - nach allem, was man hört - die nur aus wenigen Personen bestehende Kerngruppe extrem fleißig daran arbeitet. Aber man muss sich klar machen, dass die Arbeiten daran erst Ende 2016 überhaupt begonnen haben und es dabei - wie mittlerweile deutlich geworden ist - nicht nur um oberflächliche Änderungen geht, sondern wirklich um eine tiefgreifende Neugestaltung.

Nun hat man beim RSC offenbar neu überlegt. Wie Jamie Hennelly schreibt, wäre es "no longer feasible or wise", am ursprünglichen Zeitplan festzuhalten. Anstatt für April 2018 ist der erste Roll-out jetzt für den 13. Juni 2018 geplant. In dieser ersten Stufe soll der neue englische Text erscheinen sowie, wie es im Status-Bericht heißt, "at least one other language". Es scheint also immer noch die (m.E. völlig unrealistische) Erwartung zu bestehen, dass zumindest eine Übersetzung bis Juni fertig sein kann. Ebenso sollen dann "at least 2 to 3 update [sic, sollte vermutlich "updated" heißen] policy statements" erscheinen. Soll dies tatsächlich bedeuten, dass die vollständigen Anwendungsrichtlinien von zwei bis drei Anwendergemeinschaften zu diesem Zeitpunkt schon an den neuen RDA-Text angepasst sein sollen? Das würde ich für völlig unmöglich halten. Die restlichen Übersetzungen und Anwendungsrichtlinien sollen in einem zweiten Schritt Ende August bzw. Anfang September 2018 folgen. Aber auch bis zu diesem Zeitpunkt wäre es nach meiner Einschätzung nicht zu schaffen, sämtliche D-A-CHs an das neugestaltete RDA anzupassen.

Nach dem zweiten Roll-out soll das bisherige RDA Toolkit (in eingefrorener Form) noch für ein Jahr zugänglich bleiben, also bis August/September 2019. Bis zu diesem Zeitpunkt könnten vermutlich die D-A-CH tatsächlich an den neuen Regelwerkstext angepasst sein. Wirklich beurteilen werden wir das aber erst können, wenn wir den neuen Text in seiner Gänze kennen. Und natürlich reicht es nicht, die D-A-CH anzupassen, sondern es müssen auch die Schulungsunterlagen und tabellarischen Beispiele überarbeitet werden. Und voraussichtlich wird es auch eine Nachschulung (in derzeit noch unbekanntem Umfang) geben müssen, die ebenfalls zu konzipieren und zu organisieren ist. All das sollte eigentlich erledigt sein, wenn wir vom alten zum neuen Toolkit "migrieren".

Neu gestalteter RDA-Text

RDA wird künftig in zwei Teile gegliedert sein wird, nämlich einerseits "General Guidance" und andererseits "Entities" (das kann man auch im zweiten Status-Bericht nachlesen). Mit "General Guidance" sind allgemeine Kapitel zu übergreifenden Themen gemeint, unter "Entities" werden die Merkmale und Beziehungen zu den verschiedenen Entitäten kommen. Die vollständige Gliederung wurde bisher leider noch nicht bekannt gegeben; auch auf Informationen zum künftigen Nummerierungssystem warten wir noch.

Die Fachgruppe Erschließung hat bisher nur kleine Teile des neuen Texts in einem ersten Entwurf zu Gesicht bekommen. Diese Dokumente konnten wir immerhin kommentieren, und Frau Behrens hat unsere Kommentare beim RSC eingebracht. Ein Gesamtbild kann man sich aus diesen Dokumenten allerdings noch nicht machen. Insbesondere ist es schwer abzuschätzen, inwieweit sich die praktische Katalogisierung ändern wird. Jedenfalls war das, was wir aus dem allgemeinen Teil gesehen haben, teilweise recht abstrakt, und auch zu den Teilen aus den "Entity"-Kapiteln hatten wir verschiedene Fragen. Nun müssen wir erst einmal abwarten, wie sich der Text weiter entwickelt, bevor man mehr dazu sagen kann.

Ein erster Blick auf das neue Design

Im aktuellen dritten Status-Bericht sind drei Screenshots aus dem derzeitigen Prototyp des neuen Toolkit eingebunden (oben, ganz klein). Zwei davon, die aus derselben Regelwerksstelle stammen, bilde ich hier ab:

Diese Screenshots zeigen, wie Jamie Hennelly schreibt, noch nicht unbedingt das endgültige Design, sollen aber einen Eindruck davon geben, in welche Richtung es gehen wird. Oben links sieht man das künftige Toolkit-Logo. Die obere Navigationszeile zeigt die Gliederung in die zwei Teile "Entities" und "Guidance" sowie weitere Bereiche ("Policies" für die Anwendungsrichtlinien und "Reference" - mal sehen, was dort alles angesiedelt werden soll). Das ausklappbare "Related policies" im oberen Screenshots rechts bedeutet wohl, dass man sich künftig die zugehörigen Anwendungsrichtlinien auf derselben Seite anzeigen lassen kann wie den Regelwerkstext - dies wäre eine wünschenswerte Verbesserung. Rechts oben sieht man außerdem eine angedeutete Visualisierung. Ich interpretiere es mal so, dass wir uns in der Entität "Manifestation" befinden und dort beim Attribut "Media type". Darunter könnte es dann noch Unter-Elemente geben ("Child") und daneben weitere Attribute der Manifestation ("Peer"). Vermutlich wird man die Kästchen auch anklicken und zur Navigation verwenden können.

Ansonsten sieht man Teile des künftigen Texts (in Entwurfsfassung) für das Element "Medientyp". Die Regelwerksstellen zu den einzelnen Elementen sollen künftig alle einer festen Struktur folgen (vgl. den zweiten Statusbericht), die hier teilweise zu sehen ist. Es beginnt stets mit einer Definition; danach müssten eigentlich noch die "User Tasks" und die Informationsquellen für das Element folgen (hier nicht zu sehen). In Entwürfen, die wir schon gesehen haben, stand bei den Informationsquellen häufig nur das Wort "any". Danach kommt die eigentliche Regel (hier im ersten Screenshot zu sehen die Grundregel und der Anfang der Optionen).

Vierfacher Weg (4-fold path)

Eine wichtige Veränderung im neuen RDA-Text wird die Einführung des sogenannten vierfachen Wegs als Grundprinzip bei der Erfassung von Informationen sein. Gemeint ist damit, dass bei den meisten Elementen vier verschiedene Methoden zur Erfassung möglich sein werden. Es handelt sich hier um eine Weiterentwicklung des Prinzips, das wir bereits aus der Erfassung von Beziehungen zwischen zwei Entitäten der Gruppe 2 kennen. Dafür gibt es bekanntlich folgende vier Optionen:

  • unstrukturierte Beschreibung
  • strukturierte Beschreibung
  • normierter Sucheinstieg
  • Identifikator

Dies wird im Lehrbuch in der Neuauflage auf S. 158f. erklärt (1. Auflage: S. 148f.). Im neuen vierfachen Weg werden die Optionen "strukturierte Beschreibung" und "normierter Sucheinstieg" zusammengefasst (d.h. der normierte Sucheinstieg wird als eine besondere Ausprägung der strukturierten Beschreibung verstanden). Außerdem wird eine weitere Option eingeführt, nämlich die Erfassung eines URIs (Uniform Resource Identifier) bzw. strenggenommen eines IRIs (Internationalized Resource Identifier). Soweit ich sehe, besteht der Unterschied zwischen URI und IRI nur darin, dass bei letzterem ein erweiterter Zeichensatz möglich ist. Die vier Optionen sind also jetzt:

  • unstrukturierte Beschreibung
  • strukturierte Beschreibung
  • Identifikator
  • IRI

Die bisherige Praxis der Erfassung des Medientyps in Form von normiertem Vokabular wird der Methode "strukturierte Beschreibung" zugeordnet. Im künftigen Regelwerkstext wird es - wie man im ersten Screenshot sieht - nun aber auch die Option geben, den Medientyp mit einer unstrukturierten Beschreibung zu erfassen. Unter diesen "ersten Weg" fällt eine frei formulierte Anmerkung (als Beispiel zu sehen: "Audio player required for use"), aber auch die Verwendung von nicht-normiertem Vokabular oder etwas, was direkt aus der Informationsquelle übertragen wird.

Beachten Sie an dieser Stelle auch den Link zu einem Kapitel aus dem "General Guidance"-Bereich. Dort wird es ein allgemeines Kapitel zum vierfachen Weg geben, auf das dann bei jeder Regelwerksstelle verwiesen wird - hier auf den Abschnitt zur unstrukturierten Beschreibung ("4-fold path: Unstructured Description"). Außerdem sehen wir noch einen Link auf das (bisher in RDA noch nicht vorhandene) Element "Details of Media Type". Die Zahl der internen Verlinkungen wird also vermutlich im neuen Toolkit nicht weniger werden...

Konsequenterweise werden künftig sicher auch die beiden anderen der vier Wege zur Verfügung stehen - Identifikator oder IRI. Beispielsweise könnte man sich vorstellen, die Begriffe für die RDA-Medientypen künftig als Normdatensätze in der GND zu halten (dies wird derzeit im GND-Ausschuss diskutiert; ich persönlich halte es allerdings für keine gute Idee); die GND-Identnummer wäre dann der Identifikator. Und einen URI für den Medientyp gibt es in der RDA Registry natürlich auch längst: http://rdaregistry.info/termList/RDAMediaType.

Ich gehe allerdings davon aus, dass wir im deutschsprachigen Raum nicht in jedem Fall alle angebotenen Wege auch zulassen werden. Beispielsweise fände ich es wenig sinnvoll, beim Medientyp vom bereits erreichten Standard (normiertes Vokabular) abzugehen und auch freie Anmerkungen zu erlauben. Dies bedeutet dann also womöglich, dass wir einen neuen Typ von D-A-CH einführen müssen, in dem ggf. steht, dass ein bestimmter Weg bei diesem Element nicht angewendet wird.

Änderungshistorie

Auf dem dritten Screenshot (hier nicht abgebildet), der offenbar die Einstiegsseite nach einem Login zeigt, sieht man einen Link mit der Aufschrift "Sept 2017 Release Notes", Dies bezieht sich auf die künftige Änderungshistorie. Hier hatte ich mir nach den ersten Ankündigungen einiges erhofft, insbesondere eine komfortable Möglichkeit, um die Entwicklung jeder beliebigen Regelwerksstelle nachvollziehen zu können (z.B. wie man es von einem Wiki her kennt, wo man beliebige Stände einer Seite aufrufen und auch vergleichen lassen kann). Wie aus dem zweiten Status-Bericht hervorgeht, werden durchschlagende Verbesserungen jedoch allenfalls zu einem späteren Zeitpunkt realisiert werden können. Vorläufig wird man sich damit begnügen, bei jedem Update sogenannte "Release Notes" in jeder Sprache zur Verfügung zu stellen. Diese werden voraussichtlich enthalten: "a list of instructions that have changed, a brief description of why the revision was made, and pdfs of all the old versions of the RDA instructions".

Auf diesem Screenshot sieht man übrigens auch eine Liste der "Recently viewed instructions" - das könnte ein nützliches Feature sein.

Soviel für heute zum 3R-Projekt. Ich halte Sie auf dem Laufenden, wenn es etwas Neues gibt.

Heidrun Wiesenmüller

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