Was bringt das 3R-Projekt im Juni?

Ursprünglich sollte das "Roll-out" des neuen RDA Toolkit im April 2018 erfolgen. Im Herbst letzten Jahres wurde dieser Termin leicht verschoben und das komplett überarbeitete Toolkit stattdessen für den 13. Juni angekündigt. Vor wenigen Tagen wurden nun auf dem Toolkit-Blog neue Informationen veröffentlicht (3R Project Status Report #5 vom 24.04.2018).

5. Statusbericht zum 3R-Projekt (Ausschnitt)
5. Statusbericht zum 3R-Projekt (Ausschnitt)

Zusammenfassend kann man sagen: Der Termin wird zwar gehalten, aber das neue Toolkit wird zu diesem Zeitpunkt noch nicht fertig sein. Auf der bestehenden Toolkit-Website soll ein Button ergänzt werden, über den man auf die "beta version" des neuen Toolkit gelangen wird. Wie nicht anders zu erwarten, wird die neue Fassung zu diesem Zeitpunkt ausschließlich englischsprachige Inhalte enthalten.

Regelwerkstext

Der Text von RDA wird zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig auf dem neuen Stand sein. Das LRM wird nur zum Teil umgesetzt sein (es ist die Rede von "an initial implementation of LRM") - wie man sich dies genau vorzustellen hat, bleibt leider unklar. Wird es etwa schon Inhalte bei den neuen Entitäten "Nomen" und "Zeitraum" geben oder werden hier nur Platzhalter stehen? Zumindest wurde angekündigt, dass RDA neu strukturiert sein wird ("reorganized RDA instructions"). Allerdings bleibt offen, ob sich dies nur auf die bisherigen Texte bezieht oder ob bei dieser Reorganisation auch neu geschriebene Texte - die an verschiedenen Stellen nötig sind - integriert werden.

Bekanntlich wird die bisherige Trennung zwischen Merkmalen und Beziehungen im neuen Toolkit aufgegeben. Im Hauptteil des Regelwerks, den sogenannten "entity chapters", werden stattdessen jeweils in einem Kapitel alle Elemente aufgeführt, die es für die jeweilige Entität gibt. Zu diesen Elementen gehören auch sämtliche Beziehungskennzeichnungen; außerdem werden künftig die Sucheinstiege als eigene Elemente definiert sein. Einen Ausschnitt aus den Elementen bei der Werk-Entität zeigt eine Folie aus einer Präsentation von Kate James, die im Februar auf dem ALA Midwinter Meeting gezeigt wurde (ersatzweise vorgetragen von Linda Barnhart, weil dies während des amerikanischen Government shut-down passierte und die LC-KollegInnen nicht auf die Konferenz fahren konnten):

Ich gehe mal davon aus, dass die Elemente bei der Umsetzung nicht alphabetisch sortiert sein werden wie hier auf der Folie - das wäre ja absurd.

Die Entitäten selbst werden großenteils in der Reihenfolge kommen, wie sie im LRM aufgelistet sind (mit Ausnahme der "Nomen"-Entität, die nach hinten geschoben wird). Die LRM-Entität "Res" fehlt - sie wird bewusst nicht implementiert. Dafür gibt es zwei zusätzliche Entitäten ("Familie" und "Körperschaft" als Verfeinerung der Entität "Gemeinschaftlicher Akteur"). Man sieht die Liste der RDA-Entitäten in einem "Mock-up" des neuen Toolkit, das James Hennelly im Februar zeigte (Screenshot aus einer Videoaufnahme, verlinkt beim vierten 3R-Statusreport, "Part 1", dort zu sehen bei ca. 30:00 min):

Der zweite Menüpunkt ("Guidance") steht für die neuen allgemeinen Kapitel. Ich gehe davon aus, dass ein Großteil der wirklich neuen Regelungen und Konzepte in diesem Bereich zu finden sein wird - beispielsweise die unterschiedlichen Methoden, mit denen Elemente erfasst werden können (von der unstrukturierten Beschreibung bis zum URI bzw. IRI), oder die veränderte Sicht auf "non-human personages", da gemäß dem LRM nur reale Menschen unter die Entität Person fallen können. In Kathy Glennans Präsentation RDA Steering Committee Update ist auf Folie 9 eine Liste zu sehen:

Dies wird aber nur als "anticipated sampling" bezeichnet, ist also offenbar nur vorläufig und vermutlich auch nicht vollständig (beispielsweise vermisse ich das Kapitel zu den "Aggregates"). Die beiden Spalten verstehe ich so, dass bei den Punkten auf der rechten Seite zumindest zum Teil auf bestehende Texte bei den bisherigen RDA-Regeln zurückgegriffen werden kann, während die auf der linken Seite aufgeführten allgemeinen Kapitel komplett neu zu schreiben sind. Wie weit die Texte gediehen sind, kann man aus der Übersicht aber offenbar nicht ablesen. Wir können also gespannt sein, ob diese Kapitel im Juni bereits zu sehen sein werden (evtl. noch in einer Entwurfsfassung).

Wer sich bereits jetzt näher mit diesen Themen beschäftigen möchte, ist am besten mit den Präsentationen bedient, die beim Midwinter Meeting gezeigt wurden. Die Folien sind alle auf der RSC-Seite zu finden und von einem großen Teil gibt es Videoaufnahmen (dabei hört man den gesprochenen Text in guter Qualität und sieht die zugehörigen Folien, aber nicht die SprecherInnen). Die Links zu den mp4-Dateien kann man dem 3R Project Status Report #4 entnehmen (die Dateien selbst stehen auf der Dropbox, man muss sie erst herunterladen und kann sie nicht direkt starten). Ich bin leider wegen akuten Zeitmangels selbst noch nicht dazu gekommen, mir alles durchzuhören; es sind an die sechs Stunden Aufnahmen.

Toolkit-Plattform

Die Entwicklung der Toolkit-Plattform scheint etwas weiter gediehen zu sein als die des RDA-Texts. Als Neuerungen für Juni werden genannt:

  • neue Funktionalitäten beim Profil - diese dürften z.B. die persönliche Startseite betreffen (u.a. mit der Anzeige der letzten fünf angesehenen Regeln)
  • verbesserte Suche und Navigation
  • bessere interne Verlinkungen, inkl. der "Preview"-Funktionalität (dies bedeutet, dass man jeweils den Anfang einer Stelle sieht, auf die ein Link führt, und dann entscheiden kann, ob man wirklich dorthin springen will)
  • Anzeige eines "ready reference"-Bereich bei jedem Element (gemeint sind damit bestimmte, besonders wichtige Informationen, die ganz am Anfang en bloc angezeigt werden)
  • Einführung eines "responsive design" (für alle, die sich auch am Smartphone in RDA vertiefen wollen...) und eine "greatly improved accessibility to the overall site" (womit wahrscheinlich eine verbesserte Barrierefreiheit gemeint ist)

Wer sich jetzt schon ansehen möchte, wie das ungefähr aussehen wird, findet eine sehr ausführliche Demo des neuen Toolkit durch James Hennelly bei den bereits erwähnten Videoaufnahmen.

Nächste Schritte

Nach dem Rollout der Beta-Version soll das Toolkit in mehreren Schritten bis zur vollen Funktionalität gebracht werden. Dafür sind derzeit drei weitere Updates geplant: September 2018, Dezember 2018 und Februar 2019. Dabei soll zum einen der Regelwerkstext weiter ausgearbeitet werden ("refinements to the wording of the RDA standard"). Zum anderen sollen die Übersetzungen und die Anwendungsrichtlinien ergänzt werden. Hier ist auch die Rede von einem "integrated display". Evtl. ist damit die Funktionalität gemeint, dass man in der rechten Spalte immer schon den Anfang der zugehörigen Anwendungsrichtlinie sieht. Außerdem soll auf der Plattform noch ein grafisches Navigationswerkzeug ("graphical browse tool") eingebaut werden (vgl. dazu einen früheren Blog-Beitrag).

Als Ziel wird formuliert: "The goal for having the site fully functional with most (if not all) the translations and policy statements is early 2019." Sobald dieser Schritt erreicht ist, läuft die einjährige Übergangsfrist, in der das alte Toolkit noch zur Verfügung stehen wird. Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass die Übersetzungen wirklich so schnell fertig werden können wie geplant, wenn im Juni nur eine vorläufige Fassung des Regelwerkstexts veröffentlicht wird. Eigentlich macht es ja erst Sinn, mit der Arbeit anzufangen, wenn der Text stabil ist. Aber das können wir vermutlich erst beurteilen, wenn wir wissen, in welchem Zustand das neue RDA im Juni tatsächlich sein wird.

Überraschend finde ich, dass es ab Juni eine Möglichkeit geben soll, das neue Toolkit zu kommentieren - und zwar sowohl den veränderten Text als auch die neue Plattform. Wenn ich es recht verstehe, wird dies ganz anders ablaufen als bei den bisherigen Stellungnahmeverfahren. Offenbar darf nun jeder, der möchte, seine Meinung über ein Online-Formular kund tun. Im Status-Bericht heißt es dazu:

"In the weeks following the June release of the initial phase of 3R, we will collect user feedback on both the features and functions of the redesigned site and the revisions to the RDA standard. Toolkit users will be able to share their thoughts with Toolkit developers and the RDA Steering Committee through an online submission form and through a number of forums including live events at ALA Annual, IFLA’s World Library Congress, online, and elsewhere. The RSC will make direct appeals to special interests groups for feedback on specific issues."

Einerseits ist dies natürlich sehr erfreulich, andererseits wäre es m.E. klüger gewesen, zumindest die Grundsatzentscheidungen zum Regelwerk im Vorfeld zur Diskussion zu stellen und nicht erst jetzt. Anders ist es sicher bei Detailfragen, z.B. Formulierungen, und bei Funktionalitäten der neuen Website. Hier ist ein "user feedback" nach dem ersten Roll-out sicher sehr sinnvoll.

Heidrun Wiesenmüller

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Dr. Kai Multhaup (Donnerstag, 17 Mai 2018 19:40)

    Weiß man denn schon, ob das Konzept der Kernelemente beibehalten wird? War nicht die Rede davon, diese auf RDA-Ebene aufzugeben und die Auswahl verpflichtender Elemente den lokalen Anwendungsprofilen zu überlassen? Ich fand es eigentlich nicht schlecht, dass im eigentlichen Regelwerk ein solches Kernelemente-Set enthalten war.

  • #2

    Heidrun Wiesenmüller (Sonntag, 20 Mai 2018 10:58)

    Lieber Herr Multhaup,

    das ist eine gute Frage. Ich habe zu diesem Punkt seit Ewigkeiten nichts mehr gehört. Auch auf den letzten veröffentlichten Folien war dazu nach meiner Erinnerung nichts zu lesen. Evtl. kann Renate Behrens etwas dazu beitragen, falls dies in letzter Zeit im RSC Thema war. Ansonsten wird uns nichts anderes übrig bleiben, als auf die Beta-Version zu warten.

    Viele Grüße
    Heidrun Wiesenmüller