Weitere Infos zur Betaversion des neuen Toolkit

Wenige Tage vor der Veröffentlichung des neuen RDA Toolkit in einer "Betaversion" wurden einige weitere Informationen dazu veröffentlicht. Zum einen gibt es einen neuen Blogbeitrag auf der Toolkit-Website What to expect from the RDA Toolkit beta site, zum anderen ein Dokument des RSC-Vorsitzenden Gordon Dunsire mit dem Titel Outcomes of the RDA Toolkit Restructure and Redesign Project. Letzteres ist besonders interessant, weil es darin primär um Inhaltliches geht.

Blogbeitrag "What to expect from the RDA Toolkit beta site" (Ausschnitt)
Blogbeitrag "What to expect from the RDA Toolkit beta site" (Ausschnitt)

Zeitplan

Das Interessanteste an dem neuen Blogbeitrag ist für mich diese Passage:

"The beta site will remain in beta status until the RDA Steering Committee, the RDA Board, and the RDA Co-Publishers have unanimously agreed that the redesign of the site is complete, the RDA standard text is stable, and the full site content (translations and policy statements) is available. Shortly after that decision, public notice will be given and the beta site will become the official RDA site. The current site will remain available for one year following that notice to allow for a smooth transition."

Die einjährige Frist, in der das alte Toolkit noch vorgehalten wird, soll also erst dann zu laufen beginnen, wenn sich erstens alle darüber einig sind, dass das neue Toolkit "fertig" ist, und wenn zweitens auch die Übersetzungen und Anwendungsrichtlinien verfügbar sind. Wenn das tatsächlich so gehandhabt wird, können wir uns entspannen. Denn erfahrungsgemäß sind wir mit der deutschen Übersetzung immer merklich schneller als die anderen Sprachgemeinschaften. Das sollte uns dann genügend Zeit geben, um die Neuerungen in Ruhe inhaltlich zu durchdringen und aufzubereiten.

Das "Outcomes"-Dokument

Das siebenseitige "Outcomes"-Dokument beschäftigt sich mit inhaltlichen und strukturellen Änderungen, hat allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ist auch sehr knapp gehalten - zu vielen Punkten bräuchte man eigentlich mehr Informationen, um sie verstehen und bewerten zu können. Und natürlich steht auch vieles drin, was längst bekannt ist. Im Folgenden eine Auswahl von Punkten, die mir besonders interessant erscheinen:

Auffällig ist, dass bei Namen von Elementen im Dokument immer der Name der Entität am Anfang steht und danach ein Doppelpunkt, z.B. "Work: note on work" oder "Manifestation: carrier type". Ich nehme an, dass dies eine neue grundsätzliche Konvention ist.

Die neuen Entitäten Akteur, Gemeinschaftlicher Akteur, Nomen und Zeitraum werden in der Betaversion zwar bereits vorhanden sein, allerdings werden hier erst mal nur die Basiselemente ausgeführt sein, die es für alle Entitäten gibt (z.B. "Timespan: note on timespan").

Verschiedene Elemente, die bisher Merkmale waren, wurden zu Beziehungen umgestaltet. Beispielsweise wird das Geburtsdatum einer Person nunmehr als Beziehung zwischen der Person und einem Zeitraum aufgefasst.

Es gibt vielfach neue Elemente, etwa die neuartigen groben Manifestationsangaben (z.B. "Manifestation: manifestation title and responsibility statement") oder eigene Elemente für Sucheinstiege (z.B. "Corporate Body: authorized access for corporate body"). Auch für das LRM-Konzept der "repräsentativen Expression" (d.h. eine Expression, die das Werk besonders gut repräsentiert, z.B. bei einem textuellen Werk die Fassung n der Originalsprache) sind neue Elemente nötig, z.B. "Work: content type of representative expression".

Im Bereich der fortlaufenden Ressourcen soll sich ja einiges verändern. Offenbar wird man davon schon in der Betaversion manches sehen können. U.a. gehören diverse Elemente wie die ISSN nunmehr auf die Ebene des Werks und nicht mehr zur Manifestation. Fortlaufende Ressourcen gehören in der neuen Terminologie zu den "diachronen" Werken. U.a. wird für diese ein Element "Work: extension plan" eingeführt, mit dem das Konzept für ein solches diachrones Werks ausgedrückt werden soll (z.B. ob es unendlich laufen soll oder ob ein Abschluss geplant ist und ob es in Form von separaten Erweiterungen oder integrierend erweitert werden soll).

Die vier verschiedenen Erfassungsmethoden, die künftig für die allermeisten Elemente möglich sein werden (unstrukturierte Beschreibung, strukturierte Beschreibung, Identifikator und URI bzw. IRI), werden in der Betaversion bereits umgesetzt sein. Für die sogenannten "appellation elements" (das sind offenbar diejenigen, die von der Theorie her eigentlich eine Beziehung zwischen einer Entität und einem Nomen sind, wie z.B. Namen, Titel und Sucheinstiege) wird jeweils nur eine Methode möglich sein - was aber auch logisch ist. Beispielsweise wird das Element "Work: title of work" als unstrukturierte Beschreibung erfasst (darunter fällt jetzt auch einfaches Abschreiben), das Element "Work: access point for work" als strukturierte Beschreibung und das Element "Work: identifier for work" als Identifikator. Naja, wie sonst...!

Bei den in RDA enthaltenen normierten Vokabularien erhalten alle Begriffe eine Nummer, die auf dem entsprechenden URI basiert. Z.B. bekommt "Audiokassette" im Vokabular für den Datenträgertyp die Nummer 1007. Man vergleiche den entsprechenden Eintrag in der RDA Registry, wo dieser Begriff den URI http://rdaregistry.info/termList/RDACarrierType/1007 hat. Im Moment verstehe ich aber noch nicht so recht, wofür das gedacht ist. Außerdem gibt es einige neue Vokabularien in RDA, u.a. für ein neues Element "Manifestation: type of binding". Die Standardterme für die Formaltitel ("Works", "Letters" etc.) gibt es nicht mehr als eigenes RDA-Vokabular, aber in den Regeln scheinen sie noch aufzutauchen.

Teilweise ändern sich die Bezeichnungen von Elementen. Man wird damit leben können, wenn z.B. aus "Corporate Body: predecessor" das etwas redundant wirkende "Corporate Body: predecessor of corporate body" wird. Schade finde ich, dass wir künftig auf die Mitwirkenden verzichten müssen, denn aus "Expression: contributor" wird "Expression: creator of expression".

Jüngst wurde gefragt, ob das Konzept der Kernelemente erhalten bleibt oder nicht. Jetzt haben wir es schriftlich, dass dies tatsächlich aufgegeben wird: "The assignment of 'core' status within the RDA content is no longer feasible because of the availability of multiple recording methods for an element and the provision of specific elements for access points. The RSC now expects the assignment of core status to be made in an application profile or policy statement." Wir müssen also künftig auch bei den bisherigen Kernelementen eine Angabe "Standardelement" in den D-A-CH verankern, nicht nur wie bisher bei den Zusatzelementen. Immerhin bedeutet dies wohl, dass wir hier unsere (nicht perfekt gelungene) Terminologie vereinfachen können. Da die Unterscheidung von Kern- und Zusatzelementen keinen Sinn mehr macht, sollte der Terminus "Standardelement" künftig eigentlich genügen.

Im Hauptteil des Toolkit hat jedes Element eine eigene Seite, und die Elemente für jede Entität sind in Kapiteln zusammengefasst. Es gibt aber offenbar keine feste Reihenfolge mehr: "(...) but this is not a fixed arrangement and several methods are available for navigation. An element page can be accessed by searching, browsing a list of elements associated with an entity, browsing a full set of relationship hierarchies, and navigating from related elements." Wie bereits angekündigt, gibt es auch keine Nummerierung mehr. Immerhin bekommt jede Regelwerksstelle "a unique machine-readable identifier". Ich hoffe nur, dass diese eine Form haben werden, die man auch in einem gedruckten Buch noch praktikabel verwenden kann.

Anstatt der bisherigen Anhänge für die Beziehungskennzeichnungen gibt es im neuen Toolkit "a browsable hierarchy of all relationship elements for all RDA entities". Hier wird zugleich deutlich, dass die  Beziehungskennzeichnungen allesamt zu eigenen Elementen werden. Das macht wahrscheinlich durchaus Sinn, denn die Unterscheidung zwischen z.B. "Geistiger Schöpfer" (Element) und "Verfasser" (Beziehungskennzeichnung) war doch recht artifiziell.

Zu den bisher relativ komplizierten Dingen gehörte auch die Unterscheidung zwischen Alternativen und Optionen, wobei letztere nochmals in optionale Weglassungen und optionale Ergänzungen untergliedert wurden. Und dann gab es ja auch noch Ausnahmen. Künftig sind das einfach alles Optionen: "Alternatives, exceptions, omissions, and additions have been generalized as optional instructions. An existing basic instruction and its alternative are now mutual options." Außerdem wird insgesamt weniger vorgeschrieben und - auch im Zuge der Internationalisierung - mehr Spielraum für die Besonderheiten einzelner Anwendergemeinschaften gelassen. Neben Anwendungsrichtlinien können dafür auch "application profiles" entwickelt werden.

Am Ende des Dokuments werden verschiedene noch nicht abgeschlossene Arbeiten aufgeführt, darunter die Regeln für "aggregates", diachrone Werke und fortlaufende Ressourcen: "The instructions for existing and new elements for aggregates, diachronic works, and serial works are incomplete, although background documentation and analysis have been developed." Der Bereich der "non-human personages" (d.h. fiktive Personen, Pseudonym-Entitäten, reale oder erfundene Tiere) ist bisher ebenfalls erst zum Teil ausgearbeitet. Auch im Bereich der allgemeinen Kapitel ("Guidance") scheint es noch einige Lücken zu geben, die erst später geschlossen werden sollen.

Soweit der kurze Überblick. Mehr werden wir ab dem kommenden Donnerstag wissen, wenn wir auf die Betaversion zugreifen können. Gerne würde ich mir diese natürlich vor meinem gemeinsamen Vortrag mit Renate Behrens beim "Treffpunkt Standardisierung" auf dem Bibliothekartag (am Freitag früh) etwas genauer ansehen. Dafür wird aber leider praktisch keine Zeit bleiben, zumal abends ja am Donnerstag abend auch noch die Kongressparty ist.

Heidrun Wiesenmüller

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Kommentare: 2
  • #1

    Dr. Kai Multhaup (Sonntag, 10 Juni 2018 16:26)

    Ich finde es merkwürdig, dass im Falle der "repräsentativen Expression" nun plötzlich ein klassisches Expressions-Element (hier aufgeführt: der Inhaltystyp) auch auf der Werkebene angewendet werden kann. Das empfinde ich als "un-rational" — liegt doch die Eleganz von RDA in der nach Ebenen aufgeteilten Beschreibung von Ressourcen und dem relationalen Ansatz. Ein Werk hat nun einen repräsentativen Inhaltstyp? Ich würde doch einfach eine Beschreibung für die Expression, die repräsentativ für ihr Werk ist, als solche kennzeichnen — mittels eines Indikators.

    Und wegen des geistigen Schöpfers von Expressionen: Ist jetzt der Schöpfer des Werks auch der Schöpfer der repräsentativen Expression? Und wenn die repräsentative Expression mit Illustrationen versehen ist, die nicht vom Schöpfer des Werks stammen? Also, "vereinfachen" geht anders ...

    Merkwürdig auch, das die Kernelemente aufgegeben werden. Ein applikationsübergreifender, gemeinsamer Standard erschien mir sinnvoll.

    Lustig, dass man eigene Elemente für Sucheinstiege als Neuerung darstellt? In den "Complete examples (authority)" vom April 2016 tauchen die Sucheinstiege doch schon als Elemente auf. Bei Jane Seymour auf Seite 9 gibt's beispielsweise als Element 9.19.1 den bevorzugten Sucheinstieg, nämlich "Jane Seymour, Queen, consort of Henry VIII, King of England, 1509?-1537". Und außerdem: Da es aber doch weiterhin Regeln für bevorzugte Sucheinstiege und deren Formulierung geben müsste, dürfte zumindest für den Zweck doch trotzdem wieder so eine Art von Kernelemente-Set ins Spiel kommen, oder? Also etwa alles, was man für den Sucheinstieg benötigt.

  • #2

    Heidrun Wiesenmüller (Sonntag, 10 Juni 2018 21:52)

    Lieber Herr Multhaup,

    manches werden wir uns erst mal in Ruhe ansehen müssen, wenn die Betaversion da ist, aber dennoch schon ein paar Überlegungen von mir zu Ihren Punkten:

    - Repräsentative Expression: Grundsätzlich bin ich sehr froh über dieses Konzept. Aus der Sicht von FRBR waren irgendwie alle Expressionen gleichwertig, aber das stimmt ja einfach nicht. Ein Indikator wäre vielleicht auch eine Möglichkeit gewesen, aber es kommt mir eigentlich gar nicht so komisch vor, solche Informationen beim Werk zu verankern. Es ist sozusagen eine Eigenschaft des Werks "Pride and prejudice", dass es sich repräsentativerweise auf Englisch und mit dem Inhaltstyp Text darstellt. Und vielleicht hat man gar keine repräsentative Expression vorliegen und möchte trotzdem erfassen, in welcher Sprache eine solche sein würde.

    Mir ist dazu außerdem noch eingefallen, dass wir die Originalsprache eines Werks in der GND schon immer im Werknormdatensatz erfasst haben, ohne uns was dabei zu denken. Vor einiger Zeit wurde dies mal hinterfragt, nach dem Motto: Das dürfen wir hier doch gar nicht erfassen; es ist die falsche Ebene, weil sich die Sprache auf die Expression bezieht. Man konnte sich natürlich herausreden und sagen, dass es gar kein Merkmal des Werks ist, sondern eine Beziehung zu einer bestimmten Expression (nämlich der ursprünglichen), was wir hier erfassen. Künftig sind nun solche Verrenkungen nicht mehr nötig.

    Übrigens findet sich im LRM
    <https://www.ifla.org/files/assets/cataloguing/frbr-lrm/ifla-lrm-august-2017_rev201712.pdf>
    ein Satz zu der Frage, auf welcher WEMI-Ebene man sich bei der repräsentativen Expression befindet: "Since end-users perceive certain characteristics as pertaining to, or being inherent in, the work itself, these characteristics are useful as a means of describing and identifying the work. The values of these expression attributes can be notionally 'transferred' to the work and used in work identification, although strictly speaking these attributes concern expression characteristics and not work characteristics." (S. 91)

    - Zum geistigen Schöpfer der Expression heißt es im LRM (S. 66): "This relationship applies both to the creation of the original expression and any subsequent modifications such as translations, revisions and performances. An agent responsible for the intellectual or artistic content of a work is responsible for the conception of the work as an abstract entity; an agent responsible for the expression of the work is responsible for the specifics of the intellectual or artistic realization or execution of the expression." Das heißt wohl, dass der geistige Schöpfer des Werks auch der geistige Schöpfer der ursprünglichen Expression ist (was nach meinem Verständnis übrigens nicht genau bzw. immer identisch mit der repräsentativen Expression ist, siehe dazu wieder das LRM). Aber man spart sich natürlich in der Regel, diese Information zu erfassen, und in der bisherigen Terminologie hätte es ja auch irgendwie falsch gewirkt (der Verfasser ist zugleich Mitwirkender??).

    Was die Illustratoren angeht: Ich erwarte, dass so etwas künftig als "aggregate" behandelt werden wird, also der Illustrator geistiger Schöpfer eines zweiten Werks ist. Aber die Regeln für die Aggregate sind ja offenbar noch in der Mache; wir müssen warten, was kommt (und hoffen, dass es nicht zu schrecklich wird...).

    - Zu den Sucheinstiegen: Wir haben diese zwar (auch im Lehrbuch) nicht anders behandelt als andere Merkmale, aber strenggenommen handelt es sich bisher wohl tatsächlich nicht um Elemente. Die Überschrift von RDA 9.19 heißt nicht "Sucheinstieg ...", sondern "Bildung von Sucheinstiegen ...“ - das ist ein kleiner, aber wohl doch wichtiger Unterschied. Auch im "Element Set" (im Reiter Werkzeuge) kommen die Sucheinstiege z.B. bei der Entität Person nicht vor.

    Es gilt übrigens als eins der Probleme im jetzigen RDA, dass die Nummern sowohl für Elemente als auch für Regeln verwendet werden, und dass man dies oft nicht gut unterscheiden kann. Nicht alles, was eine Nummer auf der zweiten (bzw. dritten) Hierarchieebene hat, ist auch ein Element. Das gilt z.B. auch für 6.14 Titel eines Musikwerks (das sind Regeln für die Titelbildung bei musikalischen Werken, aber es gibt hier keine spezifischen Elemente).

    Die Aufgabe der Kernelemente halte ich im Übrigen auch für eine absolute Fehlentscheidung. Auf der Ebene von Anwendungsrichtlinien werden sie aber sicher wieder ins Spiel kommen.

    Viele Grüße
    Heidrun Wiesenmüller