Forschungsreisen im RDA-Dschungel

Im derzeit laufenden Sommersemester habe ich ein sogenanntes Forschungssemester, d.h. ich halte keine normalen Lehrveranstaltungen, sondern kann mich etwas intensiver mit anderen Dingen beschäftigen. Alle viereinhalb Jahre kann man in Baden-Württemberg ein solches Forschungssemester beantragen. Als Forschungsfrage habe ich mir - zugegebenermaßen nicht sonderlich originell - überlegt, zu untersuchen, wie die Einführung von RDA in der Praxis funktioniert hat und wie die Kolleginnen und Kollegen nach einigen Monaten praktischer Erfahrung mit dem neuen Regelwerk zurechtkommen.

Treuer Begleiter auf meinen "Forschungreisen": Mein Diktiergerät
Treuer Begleiter auf meinen "Forschungreisen": Mein Diktiergerät

Methodisch gehe ich so vor, dass ich Fokusgruppengespräche mit KatalogisiererInnen bzw. MedienbearbeiterInnen führe. Dafür will ich insgesamt etwa 20 deutsche wissenschaftliche Universalbibliotheken (also insbesondere Universitäts-, Landes- und Staatsbibliotheken) in unterschiedlichen Verbünden besuchen und dort entsprechende Gespräche führen. Die Fokusrunden sollten jeweils aus ca. fünf bis zehn Freiwilligen bestehen. Optimal ist dabei eine Mischung von Personen, die unterschiedliche Materialien bearbeiten und auch unterschiedlich lange "im Geschäft" sind. Wichtig ist mir vor allem, nicht nur KollegInnen befragen zu können, die sich besonders intensiv mit RDA auseinandergesetzt haben (z.B. weil sie in Gremien vertreten sind oder als Multiplikatoren tätig waren), sondern auch ganz "normale" KatalogisiererInnen. Ich habe bislang sechs solcher Gespräche geführt und bereits Termine für einige weitere vereinbart - kommende Woche bin ich beispielsweise in Berlin. Erfreulicherweise ist meine Anfrage bisher überall sehr positiv aufgenommen worden.

Die Gespräche dauern in der Regel eine gute Stunde. Derzeitige Rekordhalter sind die Kolleginnen aus Mainz, mit denen ich über eineinhalb Stunden geplaudert habe (und ich glaube, es wäre noch länger gegangen, wenn ich nicht den Zug zu meinem nächsten Gespräch hätte bekommen müssen...)! Ich zeichne die Unterhaltung mit einem Diktiergerät auf, damit ich mich auf das Gespräch konzentrieren kann und nicht mitschreiben muss. Dann kann ich es mir später nochmals in Ruhe anhören und mir interessante Punkte herausschreiben. Die Auswertung erfolgt selbstverständlich anonym.

Ein wichtiger Punkt bei den Gesprächen ist für mich, welche Aspekte oder Bereiche als besonders schwierig empfunden werden - daraus können sich Ansätze ergeben, wo besondere Hilfestellungen nötig sind und wo man vielleicht mittelfristig auch versuchen sollte, das Regelwerk zu ändern. Ebenso interessiert mich, welche Dinge die KollegInnen als besser/leichter/benutzerfreundlicher empfinden als unter RAK. Manche Punkte kommen so, wie ich sie erwartet habe, aber es gibt immer wieder auch Aspekte, die für mich ganz neu sind.

Spannend ist auch die Frage, ob sich der Zeitaufwand gegenüber früher verändert hat (sowohl bei Eigenkatalogisaten als auch bei Fremddatenaufnahmen aus dem angloamerikanischen Raum) - im Moment muss man hier allerdings noch die fehlende Routine mit einkalkulieren. Außerdem möchte ich erfahren, wie die KollegInnen damit umgehen, dass sie regelmäßig Änderungen rezipieren müssen. Ich hoffe, dass sich daraus Ideen und Strategien entwickeln lassen, wie KatalogisiererInnen künftig besser unterstützt werden können (welche Arten von Dokumenten und Tools werden für eine effiziente Arbeit benötigt?).

Die bisherigen Fokusrunden waren alle sehr anregend und ergiebig. Dabei laufen die Gespräche durchaus unterschiedlich ab, und auch die Haltungen und Stimmungen unterscheiden sich öfter. Hier spiegeln sich sicher auch unterschiedliche Rahmenbedingungen wider.

Als "Theoretikerin" helfen mir die Besuche auch dabei, Eindrücke aus der Praxis mitzunehmen - dann kann ich auch meinen Studierenden besser vermitteln, wie es "im echten Leben" zugeht. Ein angenehmer Nebeneffekt ist natürlich auch, dass ich ein bisschen "herumkomme" und teilweise Bibliotheken zu Gesicht bekomme, in denen ich noch nie oder schon sehr lange nicht mehr war. Beeindruckt war ich beispielsweise vom 2013 eröffneten Neubau des Hörsaal- und Medienzentrums der TU Darmstadt am Standort Lichtwiese.

Das Hörsaal- und Medienzentrum von außen...
Das Hörsaal- und Medienzentrum der TU Darmstadt von außen...
... und innen
... und innen

Ergänzend zu den Fokusgesprächen will ich zu einem etwas späteren Zeitpunkt noch eine Online-Umfrage machen - aus dieser erhoffe ich mir zu verschiedenen Punkten aussagekräftige quantitative Ergebnisse. Sollte ich also nicht zum Fokusgruppengespräch an Ihre Bibliothek kommen, so können Sie mir Ihre Meinung zu verschiedenen Aspekten von RDA zumindest über die Online-Befragung mitteilen.

Heidrun Wiesenmüller

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