Drei Minuten RDA: Herausgeber und Redakteure

Als ich noch RAK unterrichtet habe, gehörte das Thema Herausgeber und Redakteure zu den Bereichen, die sich die Studierenden besonders schlecht merken konnten - es war auch wirklich etwas kompliziert. Grundsätzlich wird ein Herausgeber nach RAK berücksichtigt, aber dann kommen die vielen Ausnahmen ins Spiel: Immer nur einer (was natürlich in der Praxis oft genug - und ganz zu Recht - nicht mehr befolgt worden ist), bei Verfasserwerken nur unter bestimmten Bedingungen, und ein Redakteur nur, wenn nicht schon ein Herausgeber berücksichtigt wurde. Puh! Im Vergleich dazu ist die große Liberalität von RDA eine echte Verbesserung: "Begrenzungsregeln" wie in RAK gibt es bei den Beziehungen (ehemals: Eintragungen) nicht. Wenn Sie wollen, können Sie also jeden Herausgeber und Redakteur berücksichtigen, den Sie in der Ressource genannt finden - und natürlich auch mehrere davon.

Screenshot aus dem RDA Toolkit mit der Grundregel zum Erfassen von Mitwirkenden
Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)

Herausgeber und Redakteure gehören nach RDA zu den sogenannten "Mitwirkenden". Während die Verfasser (geistige Schöpfer) auf der Ebene des Werks angesiedelt sind, gehören die Mitwirkenden auf die Ebene der Expression. Mitwirkende sind keine Kernelemente. Jedoch ist in den Anwendungsrichtlinien festgelegt, dass Mitwirkende unter bestimmten Umständen erfasst werden sollen: "Mitwirkende sind in dem durch die AWR zu 20.2.1.3 vorgegebenen Umfang Zusatzelement." (RDA 20.2. D-A-CH).  

Mit dieser Anwendungsregel zu 20.2.1.3 hat eine kleine Arbeitsgruppe der AG RDA, der auch ich angehörte, länger gekämpft. Wir stellten fest, dass es unmöglich ist, eine vollständige Liste der zu berücksichtigenden Mitwirkenden zu erstellen. Schließlich haben wir uns auf zwei Kriterien verständigt: Erfasst werden müssen diejenigen Mitwirkenden, die erstens auf der bevorzugten Informationsquelle genannt sind (bei einem Buch also auf dem Titelblatt), und die zweitens eine wichtige Rolle gespielt haben. Das Ergebnis im vollen Wortlaut:

Screenshot aus dem RDA Toolkit mit der Anwendungsregel zur Erfassung von Mitwirkenden
Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)

Ob Herausgeber oder Redakteure auf der Titelseite genannt sind, ist in der Regel kein schlechtes Indiz für ihre Bedeutung. Aber es gibt auch Fälle, in denen man auf das Anlegen einer Beziehung eher verzichten wird, obwohl ein Herausgeber auf der Titelseite genannt ist - nämlich dann, wenn man seinen Beitrag nicht für sehr wichtig hält. Ein Beispiel wäre ein aktueller Ratgeber, bei dem vermutlich nur nach dem Verfasser, nicht aber nach dem Herausgeber gesucht wird. Zum "cataloger's judgment" (Ermessen des Katalogisierers), das unter RDA stark an Bedeutung gewinnen wird, gehört es, solche Dinge abzuwägen und entsprechende Entscheidungen zu treffen. Wir müssen uns also daran gewöhnen, nicht mehr für alles ganz exakt bis ins letzte Detail vorgegebene Regeln zu haben. Verbote gibt es, wie schon gesagt, nicht mehr. Wenn Sie wollen, können Sie also auch zu dem gerade genannten Ratgeber-Herausgeber eine Beziehung anlegen oder zu einem Redakteur, der nur auf der Rückseite der Titelseite genannt ist.

Wovon wir uns mit dem Umstieg auf RDA ebenfalls verabschieden müssen bzw. dürfen, ist die strikte Parallelität zwischen bibliografischer Beschreibung und Beziehungen: Nach RAK wurden nur diejenigen Personen in der Verfasserangabe aufgeführt, die auch eine Eintragung erhielten. Wurde also der zweite Herausgeber nicht mit einer Eintragung berücksichtigt, so tilgte man ihn auch aus der Verfasserangabe und ersetzte ihn durch drei Punkte (die DNB hatte sich von dieser Praxis allerdings schon lange gelöst). In RDA ist die Verantwortlichkeitsangabe grundsätzlich unabhängig von den Beziehungen. Man kann also jederzeit eine Person in der Verantwortlichkeitsangabe aufführen, obwohl zu ihr keine Beziehung angelegt wird. Dasselbe gilt theoretisch auch umgekehrt. Jedoch ist es empfehlenswert, immer dann, wenn eine Beziehung hergestellt wird, auch die zugehörige Verantwortlichkeitsangabe zu erfassen. 

Screenshot aus dem RDA Toolkit mit der Definition von Herausgeber in Anhang I.3.1
Definition von "Herausgeber" in RDA Anhang I.3.1, Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)

Ganz neu für uns ist, dass wir künftig nicht mehr zwischen Herausgebern und Redakteuren unterscheiden werden: "Die Beziehungskennzeichnung "Herausgeber" wird auch für Redakteure verwendet sowie für Bearbeiter, sofern diese nicht als geistige Schöpfer zu betrachten sind" (RDA Anh. I.3.1 D-A-CH). Ich halte dies für keinen großen Verlust: In den Publikationen geht die Verwendung der beiden Begriffe ohnehin durcheinander, sodass die Differenzierung nicht immer einfach war. Auch scheint die Abgrenzung der beiden Funktionen eine sehr deutsche Angelegenheit zu sein (es fällt schon schwer, eine englische Übersetzung für "Redakteur" zu finden). Und bei parallelen Ausgaben in Deutsch und Französisch steht in der deutschen Ausgabe oft "Herausgeber" und in der französischen Ausgabe "rédacteur".

Ich fürchte, das waren jetzt nicht mehr "drei Minuten RDA", sondern mindestens fünf!

Heidrun Wiesenmüller

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