Drei Minuten RDA: Bildbände

Mittlerweile ist der größte Teil der offiziellen Schulungsunterlagen in einer ersten Fassung im RDA-Info-Wiki veröffentlicht worden (Achtung, es ist damit zu rechnen, dass es in manchen Fällen noch Korrekturen und Aktualisierungen geben wird). Im Modul 5A (Aufbauwissen Katalogisierung: Monografien) gibt es auch eine Schulungsunterlage zum Thema "Bildbände, Kunst- und Ausstellungsmaterialien", in die ich - unterstützt von den Mitgliedern der Themengruppe Kunst - viel Arbeit und Herzblut investiert habe. Ich nütze die Gelegenheit, um an dieser Stelle die wichtigsten Punkte zum Thema "Bildbände nach RDA" zusammenzufassen.

Screenshot von der Textversion der Schulungsunterlage "Bildbände, Kunst- und Ausstellungsmaterialien"
Textversion der Schulungsunterlage "Bildbände, Kunst- und Ausstellungsmaterialien"

Nach RAK ist ein Buch, das "zu einem wesentlichen Teil aus Bildern" besteht, ein Bildband. Unter RDA kommt man aber mit einer solchen rein quantitativen Definition in Schwierigkeiten. Um zu vermeiden, dass auch zahlreiche Reiseführer, Kochbücher etc. wegen ihres hohen Bildanteils als Bildband behandelt werden, gibt es nun folgende Definition in der Schulungsunterlage:

"Ein Bildband ist eine Ressource (gedrucktes Buch, PDF-Dokument, Website etc.), die zu einem wesentlichen Teil (mindestens 40 %) aus Abbildungen besteht und bei der die Abbildungen nicht nur zur Illustration des Texts dienen. Beispiele dafür sind auch Bilderbücher und Comics."

Ist man im Zweifel, ob ein Bildband oder ein illustrierter Text (d.h. eine Ressource, bei der der Text die Hauptsache ist und die Abbildungen nur eine Ergänzung darstellen) vorliegt, dann sollte man sich gegen den Bildband entscheiden.

Nach RAK waren Bildbände per definitionem Sachtitelwerke. Unter RDA gibt es keine solche Sonderregel mehr, was ich persönlich sehr gut finde. Bild- und Textautoren werden ganz normal als geistige Schöpfer betrachtet. In der alten Terminologie gesprochen, gehören also jetzt auch Bildbände zu den Verfasserwerken. Als Beziehungs­kennzeichnung für Bildautoren wird - je nach Situation - "Fotograf" oder "Künstler" ver­wendet, für Textautoren nimmt man "Verfasser". Bei einem illustrierten Text werden hingegen die Fotografen, Zeichner etc. nicht als geistige Schöpfer behandelt. Sie können aber als Mitwirkende mit der Beziehungskennzeichnung "Illustrator" erfasst werden.

Als Inhaltstyp (RDA 6.9) wird "unbewegtes Bild" erfasst. Wenn außer den Bildern auch noch Text in nennenswertem Umfang vorhanden ist, so vergibt man auch noch "Text" als Inhaltstyp. Außerdem sollte man - obwohl es nicht verpflichtend ist - im Element "Art des Inhalts" (RDA 7.2) unbedingt den Begriff "Bildband" vergeben (bzw. einen der spezielleren Begriffe "Bilderbuch", "Comic" oder "Ausstellungskatalog"). Denn sonst kann man wirklich nur am Inhaltstyp erkennen, dass es sich um eine Ressource mit vielen Bildern handelt.

Neu ist nämlich, dass bei Bildbänden der illustrierende Inhalt (also das, was früher die Illustrationsangabe war), nicht mehr verwendet werden darf - zumindest nicht, um die Abbildungen anzugeben, die den Bildband ausmachen (RDA 7.15.1.3 D-A-CH). Das hat durchaus eine gewisse Logik, denn das Element 7.15 "Illustrierender Inhalt" ist nur für solche Fälle vorgesehen, in denen die Illu­strationen eine Ergänzung des primären Inhalts (typischerweise Text) darstellen - nicht aber, wenn die Abbildungen selbst ein wesentlicher Inhalt der Ressource sind, der von mindestens ebenso hoher Bedeutung ist wie der Text.

Screenshot der Definition von RDA 7.15 aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)
Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)

Man kann sich also merken, dass das Element 7.15 nur bei illustrierten Texten verwendet wird, aber nicht bei Bildbänden. Eine Ausnahme sind Ressourcen, die - zusätzlich zu den Abbildungen, die den Bildband ausmachen - noch Illustrationen ergänzenden Charakters enthalten (z.B. Karten oder Noten­beispiele). Solche Illustrationen werden dann als illustrierender Inhalt angegeben. Ein entsprechendes Beispiel haben wir übrigens auch im Lehrbuch, bei 13-17 (Menschenaffen wie wir / Jutta Hof & Volker Sommer). Bei diesem Bildband gibt es noch einige ergänzende Karten; nur diese werden im Element 7.15 erfasst.

Auch Kunstbände und Ausstellungskataloge gehören zu den Bildbänden. Die vorgestellten Regeln zum Inhaltstyp, zur Art des Inhalts und zum illustrierenden Inhalt gelten deshalb auch für sie. Hier sind außerdem noch einige weitere spezielle Regeln zu beachten (u.a. bei der Bestimmung des geistigen Schöpfers), die in den entsprechenden Kapiteln in der Schulungsunterlage erklärt werden.

Heidrun Wiesenmüller

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Kommentare: 2
  • #1

    Gerald Langhanke (Dienstag, 09 Juni 2015 14:15)

    Eine Interessensfrage: Gibt es in RDA keine eigene Erschließung für Comics als die hier vorgestellte als Bildband? Angesichts der einen Comic definierenden Vermischung von Text und Bild durchaus erstaunlich!

    Über Antwort freut sich,
    Gerald Langhanke

  • #2

    Heidrun Wiesenmüller (Dienstag, 09 Juni 2015 21:07)

    Lieber Herr Langhanke,
    damit es keine Missverständnisse gibt: Es stimmt, RDA hat keine speziellen Regeln für Comics. Aber RDA hat auch keine speziellen Regeln für Bildbände - es gibt kein mit "Bildbände" überschriebenes Kapitel oder so, sondern es gelten die normalen Regeln. Das ist ja gerade ein Grundprinzip von RDA, dass im Wesentlichen dieselben Regeln für alle Materialien gelten.
    Wir haben also nur die für die Katalogisierung von Bildbänden besonders relevanten Regeln zusammengesucht, mit einschlägigen Beispielen unterfüttert und - wo es uns nötig schien - Erläuterungen für die D-A-CH formuliert (etwa unsere Definition von Bildband; in RDA gibt es ja keine).
    Die in der Schulungsunterlage beschriebenen Regeln gelten m.E. durchaus auch für Comics - z.B. dass sowohl Zeichner als auch Texter als Autoren gelten und dass man als Inhaltstyp sowohl "unbewegtes Bild" als auch "Text" vergibt (es gibt keinen "gemischten" Inhaltstyp für "Bilder mit Texten", sondern man verwendet dann eben beide Inhaltstypen). Für die meisten Fälle, in denen Comics als Sammelgut in Bibliotheken auftauchen, wird die Schulungsunterlage vermutlich genügen.
    Freilich ist es unbenommen, dass sich die Comic-Katalogisierer-Community bzw. einzelne SpezialistInnen noch einmal intensiv mit RDA beschäftigen und die für den Bereich Comic wichtigen RDA-Elemente und Regeln in einer Unterlage zusammenstellen können. Es mag ja sein, dass bei tiefer Erschließung von Comics noch bestimmte Aspekte in der Beschreibung wichtig sind (ich kenne mich da nicht genügend aus) oder z.B. bestimmte Arten von Mitwirkenden besonders häufig auftauchen. Ich bin auch ziemlich sicher, dass man für alles Gewünschte eine passende Stelle in RDA finden wird.
    Aber das kann eine allgemeine Schulungsunterlage, die sich an eine breite Katalogisiererschaft wendet, sicher nicht leisten.
    Viele Grüße
    Heidrun Wiesenmüller