Datenschutz in der Verantwortlichkeitsangabe

Kurz nacheinander erreichten mich nicht weniger als drei Anfragen zum selben, offenbar sehr akuten Thema aus dem SWB und dem hbz. Es geht um die Verantwortlichkeitsangaben von echten Hochschulschriften. Nicht selten finden man darin nicht nur den Geburtsort, sondern auch das exakte Geburtsdatum der Verfasserin oder des Verfassers angegeben, z.B. in dieser Form:

vorgelegt von

[Vorname Nachname]

geboren am [XX.XX.XXXX]

in [Geburtsort]

Nach der Grundregel in RDA 2.4.1.4 ("Übertragen Sie eine Verantwortlichkeitsangabe so, wie sie in der Informationsquelle erscheint") müssten wir dies genau so übernehmen. Zu Recht wurde die Frage gestellt, ob sich dies überhaupt mit den hiesigen Datenschutz-Prinzipien vereinbaren lässt.

In RDA spielt Datenschutz nach meinem Eindruck gar keine Rolle. Das hat sicher mit der deutlich geringeren Bedeutung zu tun, die das man diesem Thema in der angloamerikanischen Welt zumisst (übrigens fällt mir gerade auf, dass auch dies zu den vielen Punkten gehört, die bei einer echten Internationalisierung von RDA berücksichtigt werden müssen). Nichtsdestoweniger gibt uns das Regelwerk ein Werkzeug in die Hand, um das Problem zu lösen. Denn es gibt ja eine optionale Weglassung in RDA 2.4.1.4, die den Verzicht auf Personalangaben durchaus ermöglicht:

Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)
Screenshot aus dem RDA Toolkit (www.rdatoolkit.org), verwendet mit Genehmigung der RDA-Verleger (American Library Association, Canadian Library Association und CILIP)

In der zugehörigen D-A-CH-Anwendungsregel haben wir allerdings ein solches Weglassen bisher nur dann erlaubt, wenn die Angaben sehr umfangreich sind: "Für die Erfassung umfangreicher Verantwortlichkeitsangaben können Sie die optionale Weglassung anwenden." Als wir diese AWR beschlossen haben, hat schlichtweg niemand an die Datenschutz-Problematik gedacht.

Eine sinnvolle Lösung wäre es nun, die AWR entsprechend zu erweitern. Zumindest das Erfassen exakter Geburtsdaten von lebenden Personen müsste zwingend ausgeschlossen werden, sofern nicht im Einzelfall das Einverständnis der Person vorliegt (entsprechend der Vorgabe in der Erfassungshilfe EH-P-02).

Bei der Erfassung des Geburtsorts habe ich weniger Bedenken. Denn diesen erfassen wir auch in Normdatensätzen (und auch diese sind in vielen Katalogen für die Nutzer zugänglich). Man könnte allenfalls argumentieren, dass sich die Verantwortlichkeitsangaben bei Hochschulschriften von denen in "normalen" Publikationen dadurch unterscheiden, dass das auf dem Titelblatt zu verwendende Formular von der Hochschule vorgegeben wird. Die Person hat also gar nicht die Wahl, selbst zu entscheiden, ob sie ihren Geburtsort angeben will oder nicht. Aber das muss sicher noch diskutiert werden.

Frau Horny und ich werden das Thema in die April-Sitzung der AG RDA einbringen. Für die praktische Anwendung würde ich empfehlen, im Vorgriff auf die zu erwartende D-A-CH-Änderung bereits jetzt auf das Erfassen des Geburtsdatums in Verantwortlichkeitsangaben von Hochschulschriften zu verzichten.

Heidrun Wiesenmüller

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Kommentare: 4
  • #1

    Maximilian Lowisch (Montag, 15 Februar 2016 07:40)

    Liebe Frau Wiesenmüller,

    eine interessante Thematik sprechen Sie da an. Bei einem Regelwerk, das sich "identifizieren" auf die Fahne geschrieben hat, über Datenschutz zu reden, verspricht eine weitreichende Diskussion. Nicht umsonst lautete einer der Sprüche gegen die damalige Volkszählung "Lass dich nicht erfassen!", womit wir bei einem weiteren zentralen Begriff von RDA sind.
    Wo Sie mir möglicherweise helfen können, ist das fehlenden Verständnis dafür, warum wir uns derart zieren, "publizierte" Informationen zu erfassen, noch dazu aus Quellen, die, wie im Falle der Dissertationen, oftmals sogar elektronisch frei zugänglich sind. Ist die Aggregation der Daten an einem Punkt - dem GND-Satz - das (datenschutzrechtliche) Problem? Oder ist es eher Angst vor wüternden Nutzern (eigentlich, verzeihen Sie den Zynismus, wäre so viel Aufmerksamkeit für unsere Normdaten ja ganz schön)? In einer Zeit, in der Konzerne in einigen Bundesländern auf Anfrage bei den Einwohnermeldeämtern großflächig Adressdaten abgreifen können, wundert mich diese vorsichtige Haltung. Außerdem: Könnte ich mich nicht genau so darüber ärgern, dass mein Geburtsjahr erfasst wird - auch ohne Tag und Monat? Was macht den Unterschied aus? Überhaupt: Wurde das Thema Normdatensatz schon einmal von einem Juristen beleuchtet? Mich würde eine Darstellung von dieser Seite zumindest sehr interessieren - gerne auch mal auf einem Bibliothekartag.

    Viele Grüße

    Maximilian Lowisch

  • #2

    Heidrun Wiesenmüller (Montag, 15 Februar 2016 09:37)

    Lieber Herr Lowisch,

    früher habe ich ähnlich gedacht und argumentiert wie Sie. Das hat sich geändert, als ich vor einiger Zeit eine Fortbildung zum Thema Datenschutz besucht habe (Bericht hier: http://dx.doi.org/10.5282/o-bib/2015H1S64-67, auf der Veranstaltung hatte ich auch Fragen zum Thema Normdaten gestellt, die allerdings im Text nicht vorkommen). Dies hat mir die Augen geöffnet.

    Mir schien es auch albern, dass wir z.B. das exakte Geburtsdatum eines Schauspielers nicht erfassen sollen, obwohl man dies in der Wikipedia jederzeit nachlesen kann. Aber: Für die datenschutzrechtliche Beurteilung ist es völlig unerheblich, ob es sich um veröffentlichte Informationen handelt oder nicht - daraus kann man kein Recht zur Speicherung ableiten. Leider gibt es auch keine Gesetzesnorm, die Bibliotheken besondere Privilegien bei der Erfassung personenbezogener Daten einräumen würde (dies wäre natürlich die sauberste Lösung).

    Datenschutzrechtler würden uns vermutlich mit den folgenden Fragen konfrontieren:
    1. Werden die Grundsätze der Datensparsamkeit und der Verhältnismäßigkeit beachtet, d.h. werden wirklich nur die Informationen gespeichert, die zur Erfüllung der Aufgaben zwingend nötig sind?
    2. Werden die betroffenen Personen über die gespeicherten Daten informiert, sodass sie etwaige Fehler korrigieren und ggf. auch Widerspruch gegen die Speicherung einlegen können?

    Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mir würde es schwer fallen, auf diese Fragen eine befriedigende Antwort zu geben. Unter diesen Umständen scheint es mir klug, zumindest bei der Erfassung von besonders heiklen Informationen eine gewisse Zurückhaltung walten zu lassen.

    Viele Grüße
    Heidrun Wiesenmüller

  • #3

    Simone Pinnitsch (Montag, 15 Februar 2016 14:54)

    Liebe Frau Wiesenmüller,

    zum Thema Datenschutz möchte ich noch etwas hinzufügen. Verschiedenene Unis haben verschiedene Vorlagen. So kann es z.B. vorkommen, dass Matrikelnummern oder Adressen, etc. auf der Vorlage vermerkt sind.
    Eventuell könnte man das Thema Geburtsdatum/-ort ausweiten und generell über persönliche Daten auf dem Titelblatt im April bei der AG RDA Sitzung diskutieren. Gerade bei HS-Schriften wird das vermutlich immer wieder Thema sein.
    MfG
    Simone Pinnitsch

  • #4

    Heidrun Wiesenmüller (Montag, 15 Februar 2016 15:51)

    Liebe Frau Pinnitsch,
    ja, das stimmt. Matrikelnummern habe ich auch schon mal auf Titelblättern von Hochschulschriften gesehen. Dass Adressen auch vorkommen können, war mir nicht bewusst. In der Tat sind auch dies Angaben, die wir m.E. nicht erfassen sollten. Wir werden dies diskutieren.
    Viele Grüße
    Heidrun Wiesenmüller